Studie:Jugend im Rausch

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Deutsche Jugendliche liegen beim Alkohol- und Drogenkonsum weltweit vorn.

Von Heidrun Graupner

Die Bilanz ist deprimierend: Deutsche Jugendliche sind Europameister im Zigarettenrauchen. Sie trinken und kiffen mehr als ihre Altersgenossen in den meisten europäischen Ländern oder in den USA. Sie schlagen in den Schulen besonders häufig zu, nur in Osteuropa und Österreich ist die Gewalt unter Jugendlichen größer.

(Foto: Foto: AP)

Dies sind Ergebnisse einer vergleichenden Jugendgesundheitsstudie der Weltgesundheitsorganisation, die am heutigen Freitag vorgestellt wird. 160.000 Jugendliche in 33 europäischen Ländern, in den USA und Kanada wurden dafür untersucht, den deutschen Part mit 5600 Jugendlichen übernahmen die Gesundheitswissenschaftler der Universität Bielefeld Klaus Hurrelmann, Matthias Richter und Anja Langness.

"Die Studie zeigt," sagt Hurrelmann, "wo unsere Defizite liegen, wo Alarmsignale aufleuchten." 25 Prozent der 15-jährigen Jungen und 27 Prozent der Mädchen rauchen täglich, mit der Zigarette wollen sie sich besonders interessant machen.

In Frankreich und den Niederlanden sind es etwas mehr als 19 Prozent, in Dänemark 15 Prozent. Der Unterschied zu den anderen Ländern zeige die unklare und unglaubwürdige Tabakpolitik von Bundes- und Landesregierungen, klagen die Bielefelder Wissenschaftler, es fehlten überzeugende Präventionsprogramme und klare Rechtsgrundlagen.

Nicht viel besser sieht es beim Alkoholkonsum aus. 15 Prozent der 13-Jährigen und 46 Prozent der 15-Jährigen trinken mindestens einmal in der Woche Alkohol, den ersten Rausch haben sie mit 14. Sie werden nur von den Briten, Holländern und Dänen übertroffen.

In allen Ländern hat mindestens jeder Fünfte im vergangenen Jahr Haschisch oder Marihuana geraucht, am meisten ist der Joint in Kanada Mode. In Deutschland kiffen 18 Prozent regelmäßig, wobei drei Prozent der Jugendlichen von einem Dauerkonsum berichten.

Jeder dritte elf- bis 15-Jährige war im vergangenen Jahr in eine Schlägerei verwickelt, ob aktiv oder als Opfer, Deutschland gehört zu den vier Ländern mit besonders hohen Mobbingraten unter Jugendlichen.

Die Nachrichten über Gewalt in Schulen seien kein Zufall, sagt Hurrelmann. Einen Grund für das aggressive Verhalten sieht er im Schulsystem, das zu wenig Erfolgserlebnisse zulasse.

Bei einigen Ergebnissen der Studie liegt Deutschland im Mittelfeld, was aber kein Grund zur Entwarnung ist. In allen Ländern sind Jugendliche zu dick, in den USA ist es ein Drittel, gefolgt von den Mittelmeer-Ländern, in denen alte Esstraditionen verschwunden sind.

In Deutschland sind es elf Prozent, wobei im internationalen Vergleich die deutschen Kinder besonders unzufrieden mit ihrem Körper sind: 39 Prozent halten sich für zu dick.

In allen Ländern wird nicht genug Obst und Gemüse gegessen, in allen Ländern bewegen sich die Jugendlichen zu wenig. Elf- bis 13-jährige deutsche Kinder sind sogar einen Tag pro Woche weniger körperlich aktiv als amerikanische.

Und das Positive? Deutsche Kinder gelten als nicht wehleidig. In der Slowakei, in Griechenland und Italien klagen 56 bis 52 Prozent über wöchentlich auftretende psychosomatische Beschwerden, in Deutschland dagegen nur 19 Prozent.

Wer die 19 Prozent noch für bedenklich hält - im Kapitel "mentale Gesundheit" ist dies die niedrigste Rate unter allen Ländern.

© SZ vom 4.6.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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