Student Schröder:Von den Walisern lernen

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Zehn Tage hat sich der neue Alt-Kanzler im romantisch verschwiegenen Hyssington verkrochen um endlich eine Sache nachzuholen: Englisch aufbessern.

Wolfgang Koydl

Schon schade, dass der Alt-Bundeskanzler so überstürzt abreisen musste. Sicher, das Wetter ist eher ein wenig rau im Dezember, aber die romantische Bergwelt von Wales mit ihren Hügeln, Schluchten und Flusstälern gleicht das allemal aus.

Gerhard Schröder (Foto: Foto: Reuters)

Zudem hat Gerhard Schröders verschwiegene Unterkunft in den Brecon Beacons einen guten Ruf nicht nur als Lehrstätte für Menschen mit fortgeschrittenen Englischkenntnissen, sondern auch wegen der Küche und der hervorragenden Weine, die allabendlich kredenzt werden. Und wenn ihm doch einmal die Decke auf den Kopf gefallen wäre, gab es noch immer das Dorfgasthaus Dragon Inn mit Bar, Sauna, Swimmingpool und einer Jazz-Session an jedem Mittwochabend.

Zehn Tage lang hatte sich Schröder in dem verschlafenen Weiler Hyssington in der ostwalisischen Grafschaft Powys verkrochen, um endlich nachzuholen, was er immer versäumt hatte: Einmal richtig Englisch zu lernen, damit er in seinem neuen Job als Repräsentant des Schweizer Ringier-Verlags auch ohne Hilfe eines Dolmetschers Verhandlungen führen kann. Der Kanzler, dessen Stieftochter immerhin einen US-Pass hat, hatte es immer als Manko empfunden, außer ein wenig Smalltalk nicht richtig in der Weltsprache parlieren zu können.

Helmut Kohl und "Bohr do"

Zumindest scheint er sprachgewandter zu sein als manche seiner Vorgänger. Vor allem Helmut Kohl und sein Kampf mit fremden Zungen war stets ein Quell heiterer Kalauer: "Hier muss man den Korkenzieher ansetzen", empfiehlt er in einem dieser Witze seinem Freund François Mitterrand und deutet auf den Flaschenbauch. "Hier steht's doch: Bohr do."

Nur ein deutscher Nachkriegskanzler parlierte gleichsam muttersprachlich auf Englisch: Helmut Schmidt, den man freilich wenig herzlich als Oberlehrer Europas titulierte. Ein solches pädagogisches Element geht Schröder zwar ab, aber offenkundig kann man sagen, dass er wenigstens ein Vorzeigeschüler des Park House English Centre gewesen sein muss.

"Wir waren sehr von ihm beeindruckt - als Person und als Student", meint Charles Jackson, der dem Ex-Kanzler in den vergangenen anderthalb Wochen business buzz-words und andere Feinheiten des Wirtschaftsenglisch beibrachte. Einzelheiten darüber, wie fleißig der prominente Schüler sich anstellte, dürfe er freilich nicht nennen, beschwichtigt er. Denn Verschwiegenheit ist fester Bestandteil des professionellen Selbstverständnisses der kleinen, aber sehr feinen Sprachschule, in der nie mehr als acht bis zehn Studenten gleichzeitig Einzelunterricht erhalten.

Sprachtest im Pub

Die Schule ist in einem Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert in einer der reizvollsten Landschaften Großbritanniens untergebracht, ein Zwei-Wochen-Kurs, wie ihn Schröder belegt hat, kostet umgerechnet fünfeinhalbtausend Euro, und daher sind es vor allem Spitzenmanager, die hier Vokabeln und Redefloskeln pauken - "frei vom Druck des Büros", wie die Werbeschrift der Schule es preist: "Das lauteste Geräusch, das Sie hören, ist der Gesang der Vögel, die Sie morgens wecken."

Vom Druck des Amtes ist ja auch Schröder mittlerweile befreit, auch wenn er sich am Mittwoch noch einmal als Staatsmann für die Freilassung Susanne Osthoffs einsetzte. Jackson jedenfalls zeigte sich geehrt, dass der Sprachkurs "offensichtlich die erste Auslandsverpflichtung des Kanzlers seit seinem Rücktritt" gewesen sei.

Der Studientag des Kanzlers begann mit einem gemütlichen Frühstück um halb neun, dem dann sieben Stunden intensivsten Unterrichts folgten. "Am Abend", so Jackson, "nehmen wir unsere Schüler dann mit ins Pub, damit sie ihre Kenntnisse im Gespräch mit echten Menschen anwenden können."

Leute aus Llanllwchaiarn und Bwlan-y-ffridd

Nun spricht man in jenem Teil der britischen Inseln, wo die Nachbarorte so exotisch-unenglische Namen wie Llanllwchaiarn, Bwlan-y-ffridd oder Rhos-y-meirch tragen, ein eher merkwürdiges Englisch, das auch für Fortgeschrittene gewöhnungsbedürftig ist. "Aber die meisten Leute hier reden sowieso langsam, sie sind ja vom Land", hat Jackson herausgefunden.

Auch der Bundeskanzler scheint sehr angetan gewesen zu sein von der Freundlichkeit der Einheimischen. Schröder hatte übrigens gleich drei Privatlehrer - "unsere drei Spitzenkräfte", wie Jackson betont. Aber er lässt die Frage unbeantwortet, ob man daraus Rückschlüsse auf das Lernvermögen des Studenten ziehen könne.

"Ich hoffe nur, es hat ihm etwas gebracht", meint er, ohne sich festzulegen. Wie jeder Lehrer bedauert er es, dass sein Schüler den Kurs frühzeitig abbrechen musste. "Aber vielleicht kommt er ja wieder", sagt Charles Jackson. "Versprochen hat er es."

© SZ vom 8. 12. 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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