Streit um Flut-Warnungen:"Diese Menschen sind unnötig gestorben"

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Bereits 65 Minuten nach dem Seebeben im Indischen Ozean wussten US-Wissenschaftler, dass dort die Gefahr einer Flutwelle bestand. Doch Länder wie Indien und Sri Lanka wurden viel zu spät gewarnt. In den USA wird dies nun ein politisches Nachspiel haben.

Vermutlich hätten tausende Menschen gerettet werden können, wenn im Indischen Ozean ein Warnsystem vor Flutwellen installiert wäre wie im Pazifik: Darüber sind sich Wissenschaftler in der ganzen Welt einig.

Eine Überlebende der Flutwelle entdeckt das Foto ihrer siebenjährigen Tochter unter den Aufnahmen von bislang nicht identifizierten Todesopfern. (Foto: Foto: AP)

Doch möglicherweise hätten auch die existierenden Systeme helfen können, das Ausmaß der Katastrophe zu mildern - wenn Forscher und Behörden schneller reagiert hätten. Schließlich hatte eine Station der US-Behörde für Meeres- und Atmosphärenforschung (NOAA) auf Hawaii das Seebeben westlich der indonesischen Insel Sumatra bereits früh registriert.

Doch die zwei Bulletins, die von der Behörde bereits 15 und 65 Minuten nach dem Beben versandt wurden, gingen nur an die 26 Staaten, die dem "Pacific Ocean Tsunami Warning System" angehören. Darunter sind Indonesien und Thailand. Indien, Sri Lanka und die Malediven jedoch gehören nicht dazu.

In den USA wird der Tsunami deshalb ein politisches Nachspiel haben: Der Kongress wird prüfen, ob die Behörde für Meeres- und Atmosphärenforschung (NOAA) versagt hat, indem sie mehrere betroffene Länder nicht rechzeitig warnte.

Im ersten Bulletin hieß es lediglich, dass keine Tsunami-Gefahr für den Pazifischen Raum bestehe; über den Indischen Ozean wurde nichts gesagt. Erst 50 Minuten danach versandte die Behörde dann aber den aktualisierten Hinweis, dass nahe des Epizentrums des Bebens die Gefahr einer Flutwelle bestehe.

Ihrer eigentlichen Verantwortung wurde die NOAA damit zwar gereicht - schließlich ist sie nur für Warnungen im Pazifischen Raum zuständig. Dennoch werfen ihr Kritiker nun vor, nicht genügend getan zu haben, um die Informationen, die sie hatte, an alle betroffenen Staaten weiterzuleiten.

Hätte sie das getan, hätte die Warnung früher etwa Indien und Sri Lanka erreicht, dann wäre es vermutlich möglich gewesen, zahlreiche Opfer zu verhindern. Denn die Flutwelle erreichte diese Länder erst mehr als zwei Stunden nach dem Beben.

Senator fordert Anhärung

Der republikanische Senator Olympia Snowe ließ deshalb in der Zeitung Boston Globe ankündigen, er wolle in einer Anhörung untersuchen lassen, weshalb die NOAA "ihre wertvollen, lebensrettenden Informationen" nicht übermittelt habe.

Registriert wurde das Seebeben auch vom US-Erdbeben-Informationszentrum in Golden im Bundesstaat Colorado, wo die Geologen innerhalb einer halben Stunde zu dem Schluss kamen, dass die Stärke bei mehr als acht auf der Richter-Skala lag.

"Niemand wurde gewarnt. All diese Menschen sind unnötig gestorben", schimpfte der britische Europaabgeordnete Nirj Deva, der sich zum Zeitpunkt der Katastrophe in Sri Lanka aufhielt, im britischen Sender BBC.

Die Tsunami-Forscher auf Hawaii verteidigen sich aber damit, dass sie einfach nicht über die nötigen Kontakte und Telefonnummern verfügt hätten, um alle betroffenen Staaten zu informieren.

Dennoch habe es Versuche gegeben, die dortigen Behörden zu warnen, sagte Dolores Clark vom International Tsunami Information Center. Diese Bemühungen hätten aber offenbar zu nichts geführt. "Alles ging so schnell. Es gab einfach nicht genug Zeit", betonte die Sprecherin.

Leider hatten so auch große Teile der Bevölkerung und tausende Touristen in den betroffenen Gebieten keine Zeit mehr, sich in Sicherheit zu bringen - obwohl es oft reicht, "fünf oder zehn Minuten vom Strand wegzulaufen, um sich in Sicherheit zu bringen", so der Ozeanograph Frank Gonzalez aus Seattle im US-Bundesstaat Washington.

Beratungen über Flutwellen-Warnsystem

Auf einer UN-Konferenz zur Katastrophenbekämpfung vom 18. bis 22. Januar im japanischen Kobe soll nun darüber beraten werden, auch im Indischen Ozean ein ähnliches Flutwellen-Warnsystem zu installieren, wie es sich im Pazifik bewährt hat.

Auch die UNESCO in Paris steht bereit, an einem Tsunami- Frühwarnsystem für den Indischen Ozean nach dem Vorbild für den Pazifik mitzuarbeiten.

Die UN-Organisation für Kultur, Bildung und Wissenschaft erinnerte daran, dass es ihre Ozeanographie-Experten gewesen seien, die das System für den Pazifik 1968 auf den Weg gebracht hätten.

Die UNESCO könne ihre Erfahrung nun einsetzen, um Warnsysteme auch für den Indischen Ozean sowie für Risikogebiete wie die Karibik, den südwestlichen Pazifik und das Mittelmeer zu schaffen, sagte UNESCO-Generaldirektor Koïchiro Matsuura. Er begrüßte den Ruf mehrerer Länder nach solchen Systemen.

Unterdessen haben die USA und Thailand erklärt, sie wollten beim Aufbau eines Tsunami-Frühwarnsystems zusammenarbeiten.

Fachleute werden Möglichkeiten prüfen, bereits existierende Warnsysteme für Taifune entsprechend zu erweitern, sagte US-Außenminister Colin Powell zum Auftakt seiner Reise durch das Katastrophengebiet in Bangkok. Amerikanische Experten könnten darüber hinaus helfen, die Schäden durch die Flutkatastrophe zu beheben.

Der US-Außenminister war am Montag gemeinsam mit dem Bruder von US-Präsident George W. Bush, Jeb Bush, in der thailändischen Hauptstadt eingetroffen. Der Gouverneur von Florida gilt als erfahren im Umgang mit Naturkatastrophen, nachdem im vergangenen Jahr vier Wirbelstürme den US-Bundesstaat heimgesucht hatten.

Beide wollten anschließend in die indonesische Hauptstadt Jakarta reisen, um am Donnerstag an der Geberkonferenz für die von der Flutwelle betroffenen Staaten teilzunehmen. Am Mittwoch ist ein Besuch des verwüsteten Nordspitze der Insel Sumatra geplant. Danach wollen Powell und Bush nach Sri Lanka weiterfliegen.

© Daniel Jahn/AFP/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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