Strand bei Neapel:Sonnenbad neben Leichen

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Ein Foto entsetzt Italien: Ein Paar sonnt sich am Strand von Torregaveta bei Neapel - neben den Leichen zweier ertrunkener Roma-Mädchen.

Stefan Ulrich, Rom

Der Fluch der Großmutter ist ein Fluch aus Verzweiflung: "Ihr hättet sie retten können, und habt es nicht getan. Ihr hättet Respekt vor ihrem Tod haben können, und habt ihn nicht gehabt. Seid verdammt!" Der Zorn der Frau gilt jenen Badenden, die am Wochenende an einem beliebten Strand westlich von Neapel offensichtlich desinteressiert auf den Tod ihrer Enkelinnen Cristina und Violetta reagierten.

Dieses Foto hat in Italien für Entsetzen gesorgt. (Foto: Foto: dpa)

Die Mädchen hätten sich als Italienerinnen gefühlt, meinte eine andere Verwandte bei der Begräbnisfeier in einer Barackensiedlung bei Neapel. Doch sie seien als Roma gestorben.

Die Bilder vom Strand von Torregaveta, welche die italienischen Medien zeigen, verstören. Da liegen die Leichen der beiden elf und zwölf Jahre alten Kinder, von Handtüchern bedeckt, im Sand, die Füße schauen heraus. Ein paar Meter weiter sitzt ein Paar unbeteiligt in der Sonne. Auf einem anderen Foto ist zu sehen, wie Männer einen Holzsarg an einer Reihe von Liegestühlen vorbeitragen, in denen sich Badegäste räkeln. Crescenzio Sepe, der Kardinal von Neapel, findet dafür klare Worte: Diese Bilder seien für seine Stadt beschämender als jene von den Müllbergen in den Straßen.

Cristina und Violetta waren am Wochenende an den Strand gekommen, um Muscheln, Kettchen und Glücksbringer zu verkaufen. Um sich abzukühlen, wagten sie sich ins Wasser, obwohl sie offenbar nicht schwimmen konnten. Dort rissen sie heftige Wellen mit. Zwei Bademeister versuchten verzweifelt, sie zu retten, doch die Mädchen ertranken. Eineinhalb Stunden lagen ihre Leichen dann am Strand, bis sie geborgen wurden. Dutzende Badegäste ließen sich davon nicht stören. Nun wird gerätselt, warum?

Eine Vertreterin des UN-Flüchtlingshilfswerks wirft die Frage auf, ob die Menschen so desinteressiert reagierten, weil es sich um Roma-Mädchen handelte. Das vermuten auch deren Angehörige. Der Bürgermeister der Gemeinde, zu der Torregaveta gehört, weist dies jedoch zurück. Er habe solche Gleichgültigkeit auch in ganz anderen Situationen erlebt. Zudem hätten etliche Strandbesucher durchaus versucht, Cristina und Violetta zur Hilfe zu kommen. Die ohnmächtige Wut der Großmutter auf die Badegäste minderte das nicht. Sie meinte: "Ich verfluche sie nicht mit der Kraft ihres Hasses, sondern mit der Kraft meiner Liebe für meine Mädchen."

© SZ vom 23.7.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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