Strafrechtsprofessor:"Schnelle Lösung im Fall Marco"

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Strafrechtsprofessor Kühne geht von einer kurzfristigen Lösung im Fall Marco aus. Der Türkei mit EU-Sanktionen zu drohen, hält er für unangemessen.

Vor dem Treffen von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier mit seinem türkischen Amtskollegen Abdullah Gül, bei dem es auch um den in der Türkei inhaftierten Uelzener Marco W. Gehen soll, hat sich der Trierer Strafrechtsprofessor Hans-Heiner Kühne zuversichtlich über eine schnelle Lösung des Falles geäußert.

Zugleich warnte Kühne am Dienstag im Deutschlandradio Kultur davor, der Türkei wegen der Verhaftung des Schülers mit Sanktionen bei den EU-Beitrittsverhandlungen zu drohen.

Kühne, der auch Berater in Menschenrechtsfragen des türkischen Außenministeriums ist, sagte, weder die türkische Regierung noch die türkische Justiz seien daran interessiert, dass wirklich Probleme entstünden. "Man muss den richtigen Weg finden. Es nutzt nichts, autoritär aufzutrumpfen, sondern wenn man hier still verhandelt, dann gibt es sicher eine sehr kurzfristige Lösung."

Drohung mit EU-Sanktionen unangemessen

Wichtig sei es für den 17-Jährigen, einen vernünftigen Rechtsanwalt zu bekommen, was in der Türkei schwierig sei.

Eine Drohung mit Sanktionen bei den EU-Beitrittsverhandlungen wäre nach Einschätzung des Professors sachlich völlig unangemessen. Derselbe Fall hätte auch in anderen EU-Ländern geschehen können.

"Hier der Türkei zu drohen, die Beitrittsverhandlungen auszusetzen oder ähnliches, ist eine politische Intervention, die die Eigenständigkeit des Justizwesens dieses Landes völlig ignoriert. Und das kann man nicht machen", sagte Kühne.

Am Dienstagvormittag wollte Steinmeier in Brüssel mit Gül im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen zusammentreffen.

Der Anwaltverein empfahl derweil der Bundesregierung, daraufhin zu arbeiten, dass der Fall in die Zuständigkeit der deutschen Behörden übergeht. Anzustreben sei, "dass die für Marco zuständige deutsche Staatsanwaltschaft die Ermittlungen an sich zieht und den Fall hier verhandelt", sagte Ulrich Sommer vom Anwaltverein der Frankfurter Rundschau

"Die Türken könnten dann gebeten werden, ihr Verfahren einzustellen." Sollte sich ein Urteil in der Türkei aber nicht verhindern lassen, könne sich die Bundesregierung auch danach noch um die Überstellung des Schülers bemühen. Gemäß einer Konvention des Europarats könne ein bereits Verurteilter unter erleichterten Bedingungen zwecks Verbüßung der Strafe in sein Heimatland überstellt werden.

"Angenommen, Marco würde zu fünf Jahren verurteilt, könnte ein deutsches Gericht das in eine mildere Sanktion umwandeln - vorausgesetzt es kommt zu dem Schluss, dass der Fall nach unserem Recht eine mildere Strafe verdient", sagte der Strafrechtler. Einen Rechtsanspruch auf Überstellung gebe es aber nicht.

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