Stierkampf:Dürfen Kinder Toreros sein?

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In Spanien darf man erst mit 16 Jahren Torero sein. Manchen Vätern ist das nicht früh genug, weswegen sie ihre Sprösslinge in südamerikanische Arenen schicken - im Falle des 14-jährigen Jairo Miguel beinahe mit tödlichem Ausgang.

Das Horn des Kampfstiers durchbohrte die Brust des Toreros. Es zerbrach mehrere Rippen, verletzte die Lunge und verfehlte das Herz nur um zwei Zentimeter. Diesen zwei Zentimetern hat der Stierkämpfer sein Leben zu verdanken. Normalerweise hätte von dem Zwischenfall kaum jemand Notiz genommen, denn Verletzungen von Toreros sind im Stierkampf keine Seltenheit. Diesmal kam es jedoch anders. Denn der verletzte Stierkämpfer war gerade erst 14 Jahre alt.

Der 14-jährige Jairo Miguel bei einem Auftritt in Aguascalientes, Mexico. Bei diesem Aufritt wurde er von dem Stier auf die Hörner genommen: Sein Herz wurde um zwei Zentimeter verfehlt (Foto: Foto: AP)

Der Fall des jungen Jairo Miguel löste in Spanien eine Debatte über die Frage aus: Sollen Kinder und Jugendliche als Toreros auftreten? Offiziell gilt in Spanien die Regel, dass Stierkämpfer mindestens 16 Jahre alt sein müssen.

Gegen diese Bestimmung wird jedoch häufig verstoßen. Manche spanische Eltern schicken ihre stierkampf-begeisterten Söhne auch nach Mexiko, Kolumbien oder Venezuela, wo kein Mindestalter vorgeschrieben ist.

So war es auch bei dem 14-jährigen Jairo Miguel. Er zog sich seine schwere Verletzung in der mexikanischen Arena von Aguascalientes zu. Der Junge hatte, um das Publikum zu beeindrucken, den in die Arena stürmenden Stier auf Knien empfangen. Dieser Showeffekt hätte ihn um Haaresbreite das Leben gekostet. Es gelang ihm nicht, den 430 Kilogramm schweren Koloss mit dem Tuch an sich vorbeizudirigieren. "Papa, ich sterbe", schrie der junge Torero, als er in Begleitung seines Vaters in ein Krankenhaus gebracht wurde.

Der Vater Antonio Sánchez war in den 70er Jahren in Spanien selbst ein renommierter Stierkämpfer gewesen. Er ist jetzt der Manager seines Sohnes und kann nichts Schlimmes daran finden, dass der 14-Jährige es mit Kampfstieren aufnimmt. "Mein Sohn ist ein Supertalent. Er beherrscht die Technik und hat den richtigen Instinkt", schwärmt er.

In Lateinamerika war Jairo Miguel in den vergangenen zwölf Monaten in 30 Stierkämpfen aufgetreten. "In Spanien lieferte er bislang 17 Kämpfe", berichtet der Vater. "Mal mussten wir wegen Verstoßes gegen die Altersbeschränkung eine Geldstrafe zahlen, mal drückten die Behörden ein Auge zu." Der Madrider Beauftragte für den Schutz von Minderjährigen, Arturo Canalda, reagierte empört: "Es ist eine Ungeheuerlichkeit, ein Kind vor ein Tier von 400 bis 500 Kilogramm zu stellen.

Ein Vater, der zur Umgehung der spanischen Gesetze seinen Sohn in Mexiko auftreten lässt, verhält sich verantwortungslos." Die Stierkampfszene zeigte für die Kritik wenig Verständnis. "Die Verletzung von Jairo Miguel dient den Feinden des Stierkampfes als ein billiger Vorwand, die Corrida in den Schmutz zu ziehen", meinte der Kolumnist Paco Aguado in der Fachzeitschrift "6 Toros 6". "Die Fiesta ist zu hart für die heuchlerische Sensibilität, die sich in der heutigen Gesellschaft breit macht."

Die meisten großen Toreros haben bereits als Kinder - manche schon mit zehn oder zwölf Jahren - ihre ersten Erfahrungen gesammelt. Dazu gehört auch Julián López, genannt "El Juli", der mit 16 Jahren bereits ein Star war und heute als 24-Jähriger zu den Größten der Branche gezählt wird.

Jorge de Haro, Präsident des mexikanischen Verbandes der Kampfstierzüchter, erläuterte der Madrider Zeitung El País, weshalb es seiner Ansicht nach wichtig ist, dass Toreros ihre Karriere in jungen Jahren beginnen: "Das ist wie beim Tennis oder anderen Sportarten. Kinder lernen besser. Im Stierkampf kommt hinzu, dass Kinder keine Angst zeigen, weil sie die Gefahr nicht einschätzen können. Je jünger ein Torero ist, desto besser ist er."

Der Sevillaner Stierkämpfer Juan Antonio Ruiz Román alias "Espartaco", der seine Karriere mit 14 Jahren begonnen hatte, gibt jedoch zu bedenken: "Die Vorstellung, dass ein Kind in der Arena sterben könnte, ist unerträglich. Ich will nicht, dass mein Sohn Stierkämpfer wird und dafür seine Kindheit hergibt, so wie ich es getan habe."

© dpa, Hubert Kahl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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