Spanien:Kriminelle Folklore

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Kurioser Höhepunkt eines Korruptions-Skandals in Marbella: Die Festnahme der spanischen Schlagersängerin Isabel Pantoja schlägt Wellen bis in die Regierung.

Javier Caceres

Das Jahr ist noch nicht mal zur Hälfte vorbei, doch in Spanien gibt es nicht wenige ernstzunehmende Menschen, die sehr nachvollziehbar meinen, das Königreich sei in der Nacht zum Donnerstag Zeuge einer Nachricht geworden, die in den verbleibenden Monaten des laufenden Kalenderjahres kaum noch übertroffen werden kann.

Die Coupletsängerin Isabel Pantoja wurde Donnerstag gegen Mitternacht im Zuge der Ermittlungen zum größten Korruptions- und Bauskandal der Geschichte des Landes in ihrem Domizil in Marbella festgenommen.

Pantoja, die gerne mit Rüschenkleidchen, Blechblaskapellen und Tamburinen auftritt, gilt als eine der letzten lebenden Mythen Spaniens und hat Millionen von Schallplatten verkauft. Nach einer Nacht in den Kerkern des Polizeipräsidiums der Provinz Málaga wurde sie am Donnerstag dem Richter Miguel Angel Torres vorgeführt, er leitet die Ermittlungen unter dem Codenamen "Operación Malaya", bei dem so einige namhafte Mitglieder aus dem Who's who des Millionärsparadieses an der Costa del Sol ins Zwielicht geraten sind.

Der Vorwurf gegen "la Pantoja", wie das Faktotum aus der spanischen Klischee-Kunstwelt genannt wird: Mutmaßliche Geldwäsche und andere Finanzdelikte. Zum Verhängnis wurde ihr wohl die seit 2003 währende Liaison mit Julian Muñoz, einem früheren Kellner, der im südspanischen Jetset-Badeort in atemberaubender Weise zu politischen Würden und prall gefüllten Bankkonten kam.

Bestechung und Verschwendung

Nachdem der frühere Bürgermeister Marbellas und schillernde Ex-Präsident des Fußballklubs Atlético Madrid, Jesús Gil, wegen allzu dreister Griffe in die Stadtkasse zu 28 Jahren Haft verurteilt worden war, trat Muñoz als sein Nachfolger an.

Mittlerweile sitzt auch er seit zehn Monaten in Haft, wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung, Bestechung und Verschwendung öffentlicher Gelder. Muñoz soll Handlanger von Juan Antonio Roca gewesen sein, der als einer der Köpfe des Korruptionsnetzes ein 2,4 Milliarden Euro schweres Vermögen zusammengerafft haben soll.

Mehr als 100 Personen hat Untersuchungsrichter Torres seit Beginn der Operation festnehmen lassen. Doch einen solchen Wirbel wie am Donnerstag hat es seit Beginn der Ermittlungen nie gegeben. Kein Wunder: Für die Spanier ist "la Pantoja" die Frau, die "die Trauer zur Kunstform" erhob, als sie zu "der Witwe Spaniens" wurde, wie die Zeitung El Mundo schrieb.

1983 hatte sie in strahlendem Weiß den Stierkämpfer Francisco Rivera alias "Paquirri" geehelicht, doch keine anderthalb Jahre später trug sie schon Schwarz. Paquirri war von einem Stier auf die Hörner genommen worden; das ganze Land nahm Anteil daran, dass er im Angesicht des Skalpells seinen Chirurgen angefleht hatte, um Gottes Willen Ruhe zu bewahren. Quasi mit dem letzten Lebenshauch.

Sein Tod stürzte Pantoja in ein Meer aus Tränen, wie die Fachpresse damals berichtete. Nur vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass die Festnahme der 50jährigen Pantoja die mediale Aufmerksamkeit in Spanien monopolisierte - und die konservative Opposition sehr rasch mit einem perfide anmutenden Vorwurf zur Stelle war.

Der Arrest sei politisch inszeniert worden, um heftige politische Kontroversen der Gegenwart, darunter die mögliche Zulassung der baskischen Separatisten zur anstehenden Kommunalwahl, hinter einem Rauchschleier verschwinden zu lassen. Es sei "offenkundig", so der Parlamentarische Sprecher der Volkspartei PP Eduardo Zaplana, dass die Regierung versuche, von fundamentalen und essentiellen Dingen abzulenken.

Der Wirtschaftssprecher der Konservativen, Miguel Arias Cañete, übte sich in ähnlicher Demagogie und schlug einen Bogen zum Fall des Eta-Terroristen Iñaki de Juana Chaos, einem 25fachen Mörder, dem in einer enorm umstrittenen Entscheidung unlängst Hafterleichterungen gewährt worden waren - und nun bei einem Spaziergang unter Polizeiaufsicht fotografiert wurde.

Wahlkampf und Trauer

"In welchem Land leben wir eigentlich, dass Mörder spazieren gehen dürfen - und Chanson-Sängerinnen verhaftet werden, als wären sie Terroristen?", fragte Arias Cañete im streng katholischen Radiosender Cope - obwohl Pantoja nicht einmal Handschellen angelegt worden waren und sie sich auch noch zurecht machen durfte.

Der Sprecher der Sozialisten im Parlament, Diego López, warf den Konservativen vor, die Arbeit und Unabhängigkeit von Richtern und Polizisten in infamer Weise in Zweifel zu ziehen. Auch wies er jeden Zusammenhang mit einem Wahlkampfauftritt des sozialistischen Regierungschefs José Luis Rodríguez Zapatero in Marbella zurück.

Nur Stunden vor der Festnahme des Folklore-Stars hatte Zapatero den Verantwortlichen mit Konsequenzen gedroht: "Und seien sie noch so berühmt!" Schon in der Nacht hatten "Regierungskreise" dem rasch um sich greifenden Gerücht entgegen treten müssen, Zapatero habe vorab von dem Schlag gegen Pantoja gewusst.

Ihr Anwalt berichtete unterdessen, seine Klientin sei erschüttert und am Boden zerstört, sie habe nie etwas von den einträglichen, krummen Geschäften ihres Lebensgefährten gewusst. Richter Torres sieht das offenbar etwas anders.

© SZ vom 4.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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