Spanien:Die flaue Mauritius

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Mit gefälschten Briefmarken sollen zwei Unternehmen ihre Kunden um mehrere Milliarden Euro betrogen haben. Bis zu 350000 Anleger wurden geprellt.

Von Peter Burghardt

Briefmarken sind auch in Spanien beliebte Sammlerstücke, manche Leute wollen damit ihr Vermögen mehren. Die Firmen Forum Filatelico und Afinsa hatten den Glauben in steigende Erträge der bunten Postzeichen zum Prinzip erhoben, sie versprachen Zinserträge von sechs bis zehn Prozent.

Etwa 350000 Anleger könnten beim größten Betrugsskandal in der spanischen Geschichte um ihr Erspartes gebracht worden sein. (Foto: Foto: Reuters)

"Gebt gut acht", hieß es auf der Website von Forum Filatelico, "das ist nicht irgendein Wert, er ist umgeben von Gefühlen, Empfindsamkeiten und alten Erinnerungen." Das hätte man auch als Warnung verstehen können, die Sparer allerdings waren guter Hoffnung und überwiesen ihr Geld in Massen.

Die beiden Investmentgesellschaften eröffneten Hunderte Büros und stellten Tausende Mitarbeiter an, sie galten als Institution. Bis vor kurzem sah niemand genauer nach, doch nun hat die Justiz den wohl größten Betrugsskandal der Landesgeschichte auffliegen lassen.

Die Nation blickt in einen Abgrund

Ungefähr 350 000 Kunden sind vermutlich um ihre Einlagen gebracht worden, denn die zwei Unternehmen erfanden offenbar jahrelang irreale Tarife. Nach den Erkenntnissen der Ermittler waren ihre Briefmarken um bis zu 900 Prozent überbewertet und manchmal sogar gefälscht.

Deshalb bekamen sie viele Anleger auch nie zu Gesicht, sondern erhielten nur Listen und vertrauten ansonsten dem angeblich guten Ruf. Die Staatsanwaltschaft erklärte Forum Filatelico und Afinsa in dieser Woche für pleite und entdeckte in den Dokumenten einen Fehlbetrag von 3,5 Milliarden Euro.

Mehrere Funktionäre wurden verhaftet, der Verdacht lautet auf Betrug, Urkundenfälschung, Steuerhinterziehung, Geldwäsche, betrügerischen Konkurs. Das Finanzloch habe sich "endemisch vergrößert", informieren die Behörden, während die Nation in einen weiteren Abgrund blickt.

Der Lebensstil der mutmaßlichen Täter erinnert an die Affäre von Marbella, wo sich Politiker und Berater mit illegalen Baugenehmigungen und Kommissionen sagenhaft bereichert haben.

Geld auf Luxusanwesen versteckt

Auch im Falle der vermeintlichen Philatelisten stießen die Fahnder auf Luxusvillen, Kunstwerke, Bargeld. Ein Direktionsmitglied von Afinsa residierte in der Madrider Nobelsiedlung La Moraleja auf 35 000 Quadratmetern mit zwei Schwimmbädern, eines davon überdacht.

In einem Versteck seines Anwesens stellte die Polizei zehn Millionen Euro sicher, aufgeteilt in Scheine von 500 Euro - in wenigen Ländern zirkulieren so viele davon wie in Spanien.

Auch gibt es Parallelen zu anderen Schwindeleien nach dem Schneeballsystem wie dem der Finanzgruppe Gascartera, die 2000 Investoren um 100 Millionen Euro erleichtert hatte, darunter die katholische Kirche. Doch diesmal geht es um eine noch gewaltigere Größenordnung.

Die Kreise reichen bis nach Portugal, Großbritannien und in die USA, wo die Beschuldigten Kapitalbeteiligungen hatten. Afinsa besaß zum Beispiel 67 Prozent des New Yorker Auktionshauses Escala und war in London bei Lloyd's versichert, bekam jedoch zuletzt die Police nicht mehr verlängert. Ein Kunde wiederum, der bei Foro Filatelico Marken für 1120 Euro erstanden hatte, wollte sie in einem Laden verkaufen. Man bot ihm 100 Euro.

Wütende Proteste in Madrid

Spezialisten können es nicht fassen, sie staunen über die gesammelte Naivität. "Man hat das kommen sehen", sagt der Madrider Briefmarkenverkäufer Oablo Lopez Baza, "es ist unverständlich, dass Briefmarken während so langer Zeit so vielen Leuten so viel Geld bringen sollten." Je weniger Exemplare, desto höher die Preise, aber Serien wie die "Europa 62" sind keine Seltenheit.

Die italienische Ausgabe mit Aufdruck 30 Lire etwa kostet laut Katalog der Fachvereinigung 1,75 Euro - bei Forum Filatelico war sie mit 105,94 Euro verbucht. Die Geschädigten schließen sich nun zu Protestzirkeln zusammen, manche demonstrieren vor Filialen wie dem Madrider Büro von Forum Filatelico, die von den Behörden geschlossen wurden.

Ein Betroffener berichtete, er fühle sich wie in einem Film aus dem Jahre 1929, als die Börse zusammenbrach, oder wie vor einer argentinischen Bank während der dortigen Finanzkrise. Der Mann hat die Ersparnisse von drei Jahren Arbeit verloren und denkt nun an die Worte eines Freundes: "Hol' dein Geld da raus und leg' es auf die Bank." Zu spät.

© SZ vom 13.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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