Sonntagabend-Talkshow:Aufregung um Vertrag mit Günther Jauch

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Erste Verhandlungen mit dem Talkmaster haben innerhalb der ARD für Unruhe gesorgt. Einige Senderverantwortliche fragen, warum der Werbeträger und Multi-Millionär gerade die Vorzeigesendung des gebührenfinanzierten Fernsehens bekommen soll - und dann auch noch bei RTL weiterarbeiten darf.

Hans-Jürgen Jakobs

In der vorigen Woche hatte Günther Jauch - der Mann, der beim Privatsender RTL zu einer Art Superstar wurde - wohl ein eher harmonisches Gespräch mit der ARD, jener öffentlich-rechtlichen Sendergruppe, in der er das Handwerk erlernt hat.

Günther Jauch (Foto: Foto: ap)

Es ging wieder um Details seines Vertrages für eine Sonntagabend-Talkshow auf jenem Sendeplatz, den noch bis Sommer 2007 Sabine Christiansen füllt. Nach dem Treffen mit Intendant Jobst Plog und Justiziar Werner Hahn von dem in Jauch-Fragen federführenden Norddeutschen Rundfunks (NDR), sickerten Gerüchte über eine weitgehende Einigung durch.

Die Hauptkonfliktpunkte - Werbeaktivitäten, Exklusivität - seien in einem "Zwischenergebnis" geklärt worden, jetzt rede man nur noch über Kleinkram, bestätigt ein Kundiger.

Erregung in der ARD

Die Nachrichten aus Hamburg steigerten sofort die Erregung in der ARD, wo viele Rundfunkräte, aber auch Senderverantwortliche, die Personalsache Jauch als Sonntagsschuss ansehen, der ins eigene Tor gehen könnte. Sie fragen: Warum sollte der Multi-Millionär aus Potsdam, eine Galionsfigur des Kommerz-TV, die Vorzeigesendung des gebührenfinanzierten Fernsehens bekommen? Warum kommt er nicht ganz zur ARD, sondern bleibt mit Sendungen wie "Wer wird Millionär?" und "Stern-TV" vorerst ein RTL-Gesicht?

Die Sache entwickelt sich zum Politikum. Am Montag teilte ein NDR-Sprecher mit, es sei mitnichten ein Vertrag "paraphiert" worden, wie Focus berichtete. Es gebe keinen Zeitdruck. Auch habe der NDR lediglich ein Verhandlungsmandat für die ARD, kein "Abschlussmandat".

Anders als beim Late-Night-Moderator Harald Schmidt, dessen Vertrag die ARD-Filmfirma Degeto zahlt, wird Jauch von einzelnen ARD-Sendern per Umlage finanziert. Der RTL-Star, der die eigene Firma I & U hat, will sich selbst produzieren.

Das dürfte mehr als neun Millionen Euro pro Jahr kosten - ungefähr so viel wie Sabine Christiansen, die von der TV 21 GmbH hergestellt wird. Hieran ist Christiansen beteiligt.

Die ARD-Intendanten wollen Anfang nächster Woche in München über das "Zwischenergebnis", die vom NDR gefundenen Grundnormen beim Jauch-Kontrakt beraten. Bei Gefallen kann es dann zu einem Vertragsentwurf kommen - "unter Gremienvorbehalt".

NDR-Intendant Plog will die Zusammenarbeit mit dem Star langsam anlaufen lassen, bis er vielleicht ganz ins Erste kommt - doch es wird schwer, rasch breite Solidarität zu finden. "Das alles wird sehr eng gesehen", sagt ein Kollege.

Glaubwürdigkeit der ARD nicht beschädigen

TV-Mann Jauch soll selbst eingebracht haben, er wolle keine Werbeaufträge annehmen, wenn die Glaubwürdigkeit der ARD beschädigt werden könnte. Zweifelsfälle seien "abzustimmen", heißt es im "Zwischenergebnis".

Seine RTL-Sendungen kann Jauch weitermachen, doch womöglich verliert er selbst das Interesse daran. Vorerst bleibt er bei Stern-TV. Sein Vertrag läuft bis Mitte 2008. Bei Stern-TV hat auch die Firma DCTP eine Lizenz für 30 Minuten Sendezeit und einen Vertrag mit Jauchs Firma I & U geschlossen.

Als möglicher Nachfolger bei Stern-TV wurde bereits ZDF-Moderator Johannes B. Kerner gehandelt, der zuletzt manchen Streit im ZDF hatte. Konkret ist ein solcher Transfer nicht. Jauch erklärt, davon nichts zu wissen. DCTP-Gründer Alexander Kluge sagt, dem womöglich zur ARD wechselnden Moderator gehe es "um ein Stück Unabhängigkeit".

Die ARD-Aufseher wollen wissen, welche Rolle sie dabei spielen können. Am Montag gab es im WDR-Rundfunkrat einige kritische Nachfrage zu den Auftritten des möglichen ARD-Moderators Jauch in der Werbung und bei Stern-TV.

Verdacht des Mauschelns ausräumen

Fritz Raff, Chef des Saarländischen Rundfunks und 2007/2008 ARD-Vorsitzender, hat intern angekündigt, das vom NDR ausgehandelte Vertragswerk am Ende genau zu prüfen. Mancher in der ARD hofft, nach den Debatten um Marienhof-Schleichwerbung und dubiose Verträge mit Radstar Jan Ullrich könne sich diesmal der Verdacht des Mauschelns ausräumen lassen.

Manchmal hatte der Star zuletzt wohl selbst das Gefühl, der Wechsel werde unnötig kompliziert. Es gibt ja viele, die mit ihm geredet haben, zum Beispiel ZDF-Chef Markus Schächter. Es wurde aber nichts aus dem Plan eines Sonntags-Talk im ZDF; auch über das heute-journal soll geredet worden sein.

Jauch, im Sommer 50 geworden, meint es ernst, so viel ist klar. An diesem Dienstag moderiert er beim "Welttag des Fernsehens" für den ZDF-Theaterkanal Nieder mit Goethe - eine Talkshow mit Originalzitaten von Zeitgenossen Goethes, die Hans Magnus Enzensberger zusammengestellt hat. Fast regelmäßig helfen bei Kalamitäten auch Goethe-Zitate, zum Beispiel: "Verweile doch! Du bist so schön!"

© SZ vom 21.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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