Sommerloch 2000:Es lebe das Moorhuhn!

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Peng, peng! - so klingt der Sommer 2000. Hühner sterben und leben, die Deutschen sind mürrisch und es wird über die Mordlust von Clementine Churchill spekuliert.

Sarina Märschel

Ein Hühnchen rettete den Sommer 2000: In stickigen Büros landauf, landab frohlockten Angestellte, jubelten und fingen an, wild um sich zu schießen - eine neue Version des Computer-Spiels "Moorhuhn-Jagd" stand im Netz. Die Zeitungen berichteten enthusiastisch von den Hühnern, die "wesentlich lebendiger geworden" seien und von der neuen "Boss-Taste", die Ärger ersparen sollte, falls beim Spielen unverhofft der Chef am Arbeitsplatz erscheint.

Fast täglich gab es neue Moorhuhn-Nachrichten: Nach wenigen Tagen meldete die SZ, dass die neue Moorhuhnjagd "erste Opfer gekostet" habe: Unter dem Ansturm der Moorhuhnjäger seien die Server der Erfinder zusammengebrochen. Den bis zu 180.000 Anfragen pro Stunde seien einige Netzknotenpunkte nicht gewachsen gewesen.

Schnell auf die Finger geklopft

Zum Themenkomplex "Herumballern" wurde außerdem bekannt, dass die Frau des britischen Premiers Winston Churchill um ein Haar ihren Mann erschossen hätte, und das noch vor dessen Amtsantritt. Das Ehepaar habe 1939 britische Kampfflugzeuge inspiziert. Winston Churchill beugte sich den Berichten nach gerade vor den Gewehrlauf eines Kampfflugzeugs, als seine Frau Clementine Hand an den Auslöser legen wollte. Ein Pilot der Luftwaffe habe ihr eigenen Angaben zufolge schnell auf die Finger gehauen.

Ob Clementine Churchill aus Versehen oder absichtlich auf den Auslöser drücken wollte, mochte der Pilot nicht sagen. Churchill-Biographen behaupteten, die Ehe des Paares sei gleichermaßen stürmisch wie liebevoll gewesen.

Nicht nur das Ehepaar Churchill war ein bisschen schrullig, nein, im Sommer 2000 wurde endgültig klar: Die Briten sind ein wunderliches Völkchen. Jährlich nehmen sie hochgerechnet fast zwei Millionen Teebeutel und eine halbe Million Würstchen mit auf Auslandsreisen, fand eine halbwegs ernstzunehmende Studie heraus.

Außerdem - und das war weniger wunderlich als vielmehr gemein - ergötzten sich die britischen Zeitungen am Ende des Sommers an einer Studie, die besagte, dass das Sprechen von Umlauten negative Gefühle auslöst. "Das Ü macht die Deutschen mürrisch" zog auch die Süddeutsche Zeitung nach - laut einem amerikanischen Professor machen die vielen "e-" und "a"-Laute in der englischen Sprache die Menschen fröhlich und hilfsbereit. Umlaute, so der englischsprachige (!) Professor, führten hingegen zu einem miesepetrigen Gesichtsausdruck. Beliebtes Beispiel: Wir, die Deutschen.

Mit dem Eisschrank zum Nordpol

Dabei hatten die Deutschen eigentlich einen lustigen Sommer: Einer von ihnen kam auf die spaßige Idee, einen Eisschrank zum Nordpol zu tragen, um seine körperlichen Grenzen auszutesten, andere machten sich in Sachsen auf die Suche nach "Miss Piggy 2000", der schönsten Sau im Bundesland. Die FAZ kehrte im August zur alten Rechtschreibung zurück, statt einem Inder bekam ein Indonesier als Allererster eine Green Card und der Weltfußballverband ernannte Deutschland zum Austragungsort für die Fußball-WM 2006.

Während übrigens das virtuelle Moorhuhn im gnadenlosen Kugelhagel stand, schuf der Aachener Tierpark ein "erstes Reservat für Moorhühner" - für zwei schottische Moorhennen und einen Moorhahn. Ein völlig kugelfreies Zuhause.

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