Sommerloch 2001:"Bade mich, starker Minister"

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Die Österreicher sorgen sich um einen Unterschenkel, die Norweger um eine royale Patchwork-Familie, die Deutschen um das Liebesleben ihres Verteidigungsministers: Die Sorgen des Sommers 2001.

Sarina Märschel

Die SZ spricht schon bald vom "öffentlichen Bein": Es geht um die Wade des österreichischen Skistars Hermann Maier, der sich bei einem Motorradunfall schwere Verletzungen zugezogen hatte. Es wurde berichtet über den offenen Bruch am Unterschenkel, weiße Gaze, die tägliche Physiotherapie, mentale Befindlichkeiten und das Leiden einer ganzen Nation.

"Du warst immer für Österreich da, jetzt steht Österreich hinter dir!" versprach ein Landsmann dem "Herminator", dem Ski-Ass. "Die ganze Nation hat sich noch nie so ergriffen über eine so kleine Fläche gebeugt", schrieben die deutschen Nachbarn staunend, zeigten sich solidarisch und berichteten von Stund' an ebenfalls über mickrige Hautfetzen, Prellungen im Beckenbereich und Lücken bei den österreichischen Verkehrsregeln.

Fast eben so sehr wie das öffentliche Bein des Skistars beschäftigte die Presse eine königliche Patchworkfamilie: Die Norweger zerbrachen sich den Kopf darüber, ob eine Bürgerliche mit unehelichem Kind und wilder Jugend die Richtige sei für Kronprinz Haakon. Es geht hin und her, aber nach der Hochzeit von Haakon und Mette-Marit konnte die SZ erleichtert vermelden: "Nun freuen sich doch alle".

Friede, Freude, Eierkuchen - das hätte sich in diesem Sommer wohl auch der deutsche Verteidigungsminister sehnlichst gewünscht. Doch weder waren die Zeiten friedlich - seine Soldaten schwitzten unter schweren Schutzwesten und bereiteten sich auf einen ernsten Einsatz in Mazedonien vor.

Schnäbeleien im Pool

Und freudig war sein Sommer nur für sehr begrenzte Zeit - bis zum Erscheinungstermin jener bunten Illustrierten, auf deren Titelseite Rudolf Scharping mit seiner Lebensgefährtin Kristina Gräfin Pilati, genannt Tina, im Pool plantschte. "In der Art eines Nacktotters wirft der Graf die Tina durchs Spritze-spritze-Wasser", beschrieb das Streiflicht boshaft die Szenerie. Die "Schnäbeleien" (Zitat Guido Westerwelle) des Ministers lösten Kopfschütteln, Erheiterung und vor allem Rücktrittsforderungen aus.

"Früher, als es noch Anstand gab in der Politik, hätte der KGB einen Minister mit solchen Fotos trefflich erpressen können. Heute quiekt Tina öffentlich 'bade mich, starker Minister'", wunderte sich der Autor des Streiflichts. Und schlussfolgerte: "Rudolf Scharping ist verliebt. Und wie. Er ist so verliebt, dass er sein Herz für seinen Kopf und seinen Bauch für sein Fahrrad hält."

Seiner Meinung nach konnte da nur eines noch helfen: "Man sollte ihn nach Mazedonien schicken, ein halbes Jahr mindestens und ohne Begrenzung der Mandatsfrist." So weit kam es nicht. Gräfin Pilati hätte sich sonst wohl Sorgen gemacht.

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