Sommerloch 1979:Ein Schlag aus dem Himmel

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Wo stürzt der Skylab-Weltraumschrott der Nasa ab? Über Mainz, Portland oder doch Franz Josef Strauß? Das fragen sich die Menschen im Sommer 1979.

Johannes Honsell

"Die 70er Jahre gehen, was bleibt?", fragte im August 1979 die erste Ausgabe der deutschen Vogue. Die Antwort stand in den Tageszeitungen: Eine schwere Energiekrise, ein bisschen Entspannungspolitik, im Münchner Zoo Hellabrunn ein paar neue Tiere (unter anderem: drei Kreta-Bezoraziegen und ein Schabrackentapir). Nicht zu vergessen: eine ganze Menge Weltraumschrott.

Das, was vom Skylab übrig blieb: US-Beamter untersucht ein Teil der vom Himmel gestürzten Weltraumstation, nachdem die Wrackstücke von Australien nach Amerika zurückgebracht worden waren (Foto: Foto: AP)

Der trudelte 1979 unter dem Namen Skylab durch den Orbit. Die Nasa hatte die Kontrolle über das 77-Tonnen-Ungetüm verloren, weswegen sich nun die ganze Welt fürchtete, dass ihr aus dem Himmel etwas auf den Kopf fällt.

Vor allem Mainz musste bangen. Das lag aber nicht an der realen Gefährdung (höchst gering), sondern am Spiegel, der Skylab auf einem Titelbild auf die rheinland-pfälzische Hauptstadt rasen ließ: Mainz, wo es sengt und kracht.

Einziger Hoffnungsschimmer für die Karnevalsstadt: Auf der Zeichnung kam der Satellit aus Osten, Skylab lief aber auf West-Ost-Kurs. Dafür gab es drei mögliche Erklärungen: a) Skylab hatte spontan die Richtung gewechselt, um Mainz von hinten platt zu machen; b) Mainz hatte sich in einer Art urbaner Ausweichbewegung komplett umgedreht; c) der Spiegel hatte ein Problem mit Himmelsrichtungen.

Während man sich in der Pfalz noch mit solchen Fragen plagte, gab es auch Menschen, die sich den Absturz über ihren Dächern geradezu herbeisehnten. Die Leute vom Planungsamt der US-Stadt Portland zum Beispiel wollten ihr marodes Bürogebäude schon seit 1950 abreißen und neu bauen, doch die Stadtverwaltung mauerte. Die Hoffnungen ruhten nun auf Skylab. Die Planungsamtbeamten malten sogar ein Kreuz auf ihr Dach.

In Bonn saß Helmut Kohl und wünschte sich, Skylab würde über München im Allgemeinen und über Franz Josef Strauß im Speziellen abstürzen. Der durfte statt Kohls Kandidaten Ernst Albrecht die Union in die Bundestagswahl führen. Danach musste Kohl zugeben: "Man kann nicht immer gewinnen", woraufhin die SZ mitleidslos darauf hin wies, dass Kohl eigentlich nie gewinne.

Aber eine Skylab-Attacke auf Strauss hätte eh nicht viel gebracht, denn CSU-General Edmund Stoiber schaute auf den Fotos nach der Kandidatenkür so opferbereit und liebesblind, dass er sich sicher zwischen Strauss und das brennende Ungetüm geworfen hätte. Helmut Kohl blieb also nichts übrig, als sich noch ein wenig im Stillen zu grämen und dann, sobald er laut SZ "die CDU stabilisiert" habe, "zum Abschlaffen" an den Wolfgangsee zu starten.

Skylab schlaffte schließlich weitgehend über dem Meer ab, in einer 160 Kilometer breiten und 6000 Kilometer langen Schneise. Nur ein paar Teile des "torkelnden Himmelslabors" landeten auf australischem Festland - in einer Region, die, wie eine Zeitung feinfühlig anmerkte, "weitgehend öd und nur von vereinzelten Ureinwohnern besiedelt" sei.

Unter Berücksichtigung von Murphys Gesetz und wider das Prinzip, dass ein Baum im Wald, den niemand umfallen hört, auch nicht umgefallen ist, lässt sich also sagen: Im Sommer 1979 erschlug Skylab wahrscheinlich den einen oder anderen Aborigine. Und die Welt, so beschäftigt mit dem Sprung in die 80er, hat es nie erfahren.

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