Sommerloch 1978:Presse, Posse, Pobacken

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Pressefreiheit oder Chauvinismus: Ein Titelbild der Illustrierten "Stern" mit einem sandbestreuten Frauenhintern erregt im Sommer 1978 die Nation. Alice Schwarzer bringt die Sache vor Gericht.

Johannes Honsell

Es hätte ein Frauensommer werden können. Wäre da nicht diese Unterspezies Mann davor gewesen, die an Stammtischen und in Zeitungsstuben saß und aufpasste, dass der Chauvinismus nicht aus der Mode kam.

Emma-Cover: Klage gegen den Stern wegen nackter Frauenhintern. (Foto: Foto: Emma)

Vertreter dieser Spezies saßen feixend im hohen Norden auf den Zuschauerbänken des Hamburger Landgerichts. Der Stern hatte einmal zu viel zwei sandbestäubte weibliche Pobacken auf seinen Titel gepackt - Alice Schwarzer platzte der Kragen, und mit ihr laut dem Schwarzer-Kampfblatt Emma, "10 Millionen Frauen". Sie verklagte das Magazin wegen Sexismus; an Schwarzers Seite fochten Erika Pluhar, Margarethe von Trotta und die unzerstörbare Inge Meysel.

Der Beklagte: Stern-Chefredakteur Henri Nannen, ein Presse-Gigant, Charmeur und hauptberuflich Alpha-Tier. Ein Foto vom Prozessauftakt illustriert den ungleichen Gefechtsstand: Alice Schwarzer und Inge Meysel sorgenvoll, daneben Nannen mit seinem Haifisch-Grinsen.

Journalist Nannen nannte die Klage eine "Beeinträchtigung der Pressefreiheit". Dann präsentierte er Fotos im Maßstab 1 x 1 Meter ("Hab' sie leider nicht kleiner"): Darauf Erika Pluhar und Margarethe von Trotta, beide recht unangezogen. Frau Trotta in einem Film, Frau Pluhar sogar für den Stern. Das Gericht vertagte sich, und die SZ herrenwitzelte: "Richter legt Spitzenhöschen zu den Akten,"

Am 26. Juli wurde das Urteil verkündet: Alice Schwarzer und die Ihren verloren. Das Gericht verhehlte nicht seine Sympathie für das Anliegen der Damen, doch handele es sich hier um Geschmacksfragen; außerdem sei eine Klage einer kleinen Schar im Namen der Mehrheit der Frauen in der Bundesrepublik nicht möglich.

Immerhin: Ein paar Siege des weiblichen Geschlechts gab es im Sommer 1978. Das schwedische Parlament billigte die weibliche Erbfolge der Monarchie, US-Soldatinnen durften auch auf Kriegsschiffen dienen, und die 23-jährige Kalifornierin Penny Dean durchschwamm den englischen Ärmelkanal in sieben Stunden und 42 Minuten - und war damit eine Stunde schneller als der bisherige Weltrekordhalter.

Und auch für Alice Schwarzer gab es einen Triumph, wenn auch erst rund 30 Jahre später: Eine große Zeitung mit vielen Bildern bedankte sich für den Mut der Frauenrechtlerin und setzte ihr ein Denkmal.

Es handelt sich um ein großes Werbe-Foto mit Alice Schwarzer als Star. Vollkommen angezogen.

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