Somalia:Der Tag, an dem die Hummer kamen

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Als die Tsunami-Welle allmählich auf die afrikanische Küste zurollte, dachten die Fischer noch, sie hätten einen Glückstag.

Jede Menge Hummer wurden an den Strand geschwemmt. Doch als die Fischer hinliefen, um die wertvolle Ware einzusammeln, kam eine so große Welle, wie sie noch niemand dort gesehen hatte.

Verglichen mit den unmittelbar betroffenen Ländern richtete der Tsunami vom 26. Dezember 2004 in Somalia relativ wenig Schaden an. Doch etwa 300 Menschen kamen ums Leben, Tausende von Hütten und Häusern wurden zerstört, und viele Fischer verloren ihre Boote und Netze.

Ein Jahr später bietet sich ein zwiespältiges Bild. Einerseits haben viele Somalis von der gewachsenen Spendenbereitschaft nach dem Tsunami profitiert. "An der Küste wurden viele Häuser wieder aufgebaut.

Giftwelle

Manche Dörfer haben jetzt zum ersten Mal eine Schule oder ein Krankenhaus bekommen. In einigen Gegenden ist die Lage jetzt besser als vor dem Tsunami", resümiert Maxwell Gaylard, der UN-Beauftragte für Nothilfe in Somalia.

Dass es vielen Somalis besser geht als zuvor, heißt allerdings nicht, dass es ihnen gut geht. Das bürgerkriegsgeplagte Land zählt noch immer zu den ärmsten der Welt. Nirgendwo sonst gehen so wenige Kinder zur Schule wie in Somalia. Nicht einmal jedes fünfte Kind wird eingeschult. "Wenn irgendein andere Land solche Unterernährung melden würde, gäbe es einen riesigen Aufschrei", meint Gaylard.

Die Tsunami-Welle hat in Somalia jedoch weiteres Unheil angerichtet, dessen Ausmaß noch immer nicht bekannt ist. Kurze Zeit nach der Katastrophe klagten viele Küstenbewohner über ungewohnte Gesundheitsbeschwerden - Atemnot, Blutungen im Mund und Hautekzeme. Experten fürchten, dass die Welle den Giftmüll aufgewühlt hat, der seit Jahren vor der Küste illegal versenkt wird.

"Es ist dringend notwendig, dass dies untersucht wird", sagt Nick Nuttall, Sprecher des UN-Umweltprogramms (UNEP) in Nairobi. "Niemand weiß, wie viel Müll vor Somalia versenkt wurde, wie giftig er ist, und welche langfristigen Wirkungen dies haben wird." Schätzungen zufolge kostet es etwa 200 Euro, eine Tonne Giftmüll auf legalem Weg zu versenken, aber nur zwei Euro, dies vor der somalischen Kürte zu tun.

Doch wegen der unsicheren Lage sei es seit dem Tsunami vor einem Jahr noch immer nicht möglich gewesen, ein Team von Wissenschaftlern dorthin zu schicken. Immer wieder flackern in Somalia Kämpfe zwischen verfeindeten Milizen auf. Zudem wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche Schiffe vor der somalischen Kürte entführt und ein Luxus- Kreuzfahrtschiff beschossen.

Während sich die Hilfsorganisationen so weit wie möglich um die somalischen Tsunami-Opfer gekümmert haben, war die somalische Übergangsregierung mit anderen Problemen beschäftigt.

Zwar verließ das Kabinett im vergangenen Jahr nach massivem Druck das komfortable kenianische Exil und zog nach Jowhar um, doch von einer funktionierenden Zentralregierung kann noch nicht die Rede sein. Als Premierminister Ali Mohammed Gedi sich vor einigen Wochen in die Hauptstadt Mogadischu begeben wollte, entkam er nur knapp einem Mordanschlag.

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