Skifahren trotz Klima-Erwärmung:Weiß gegen grün

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Bayerns Seilbahn-Lobby kann sich beglückwünschen. Rechtzeitig zum Beginn der Wintersaison haben Staatsregierung und Landtag die strikte Genehmigungspraxis für die künstliche Beschneiung von Skipisten gelockert.

Von Christian Schneider

Damit können jetzt auch im Freistaat Schneekanonen auf breiter Front in Stellung gebracht werden. "Wir freuen uns narrisch", sagt Wolfgang Bosch, Chef der bayerischen Seilbahn- und Liftbetreiber.

Weniger Schnee, bedeutet weniger Zeit auf der Piste. Kunstschnee ist aber umstritten. (Foto: Foto: dpa)

Die Lockerung, da ist sich Bosch sicher, sei auf Drängen seines Verbandes zustande gekommen. Tatsächlich hatte die Seilbahn-Lobby in den vergangenen zwei Jahren Ministerien und Abgeordnete massiv bearbeitet, um die rechtlichen und mentalen Barrieren gegen den Einsatz von Kunstschnee zum Einsturz zu bringen.

Mit Erfolg, wie sich zeigt. Zunächst machte Wirtschaftsminister Otto Wiesheu (CSU) Geld für eine Studie locker, die erwartungsgemäß auf die wirtschaftliche Bedeutung von Bergbahnen und Liften hinwies.

Die könnten allerdings nur dann rentabel betrieben werden, wenn sie im Bedarfsfall Schneekanonen in großem Stil einsetzen dürften. Dann zog Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) mit einer Studie seines Landesamtes für Umweltschutz nach.

Das Fazit dieser Studie: Die bisherigen Bedenken von Naturschützern gegen Kunstschnee und Schneekanonen seien übertrieben gewesen und nach zehnjähriger praktischer Erfahrung nicht mehr haltbar.

In Bayern können sich alpine Skisportler auf 860 Kilometern Abfahrtspisten tummeln. Zu ihrer Beförderung stehen 103 Seilbahnen und 1216 Lifte zur Verfügung.

Auch bayerische Wintersportorte nutzten in den vergangenen Jahren Kunstschnee, wenn die natürlichen Niederschläge ausblieben - allerdings immer nur in Grenzen, weil schwerwiegende Einwände der Umweltschützer dagegen standen.

Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums sind in den vier Wintersportregionen des Freistaates - Allgäu, Oberbayern, Bayerischer Wald und Fichtelgebirge - gegenwärtig 90 Beschneiungsanlagen installiert, die elf Prozent der 3700 Hektar umfassenden Skipisten mit künstlichem Schnee berieseln.

68 Prozent in Österreich

Auch in der Schweiz ist der Anteil der künstlich beschneiten Pisten mit zehn Prozent eher bescheiden. Anders dagegen in Österreich: Hier werden bereits 38 Prozent der Pistenfläche künstlich beschneit, in Südtirol sind es sogar schon 66 Prozent.

Genaue Zahlen aus Frankreich liegen nicht vor. Aber auch dort kennt man bei der Verwendung von Kunstschnee keine Hemmungen.

Vor allem der Blick ins Ausland hatte die bayerischen Seilbahn- und Liftbetreiber nicht ruhen lassen. "Die rüsten mit Schneekanonen auf - und uns laufen die Wintersportler weg", sagt Verbandschef Bosch.

Das sehen auch Landräte und Bürgermeister der Skiregionen so. Weil die Pisten in Bayern mangels Schnee immer öfter grün blieben, sei es schon zu einem "eklatanten Rückgang" im Wintertourismus gekommen.

Das deckt sich allerdings nicht mit den Zahlen der Bayern Tourismus Marketing, der Verbandsvertretung der bayerischen Fremdenverkehrsgebiete. Nach deren Statistik hat sich die Zahl der Wintergäste in Bayern in den vergangenen fünf Jahren "rasant nach oben entwickelt" - von 7,8 Millionen Ankünften in der Wintersaison 1997/98 auf 8,8Millionen Ankünfte in 2002/2003. Das ist immerhin eine Steigerung um zwölf Prozent.

Wintersportler sind besonders begehrt, denn mit 93,40 Euro geben sie pro Tag sechs Euro mehr aus als ein Sommergast. Allein im bayerischen Tourismus werden pro Jahr 27Milliarden Euro umgesetzt.

Schon im Vorgriff auf die neue Genehmigungspraxis für Schneekanonen hatten die bayerischen Bergbahnen in den vergangenen zwei Jahren viele Millionen Euro in die Modernisierung und den Ausbau ihrer Anlagen investiert.

Auch die Hotellerie hofft auf eine bessere Auslastung der Wintersaison durch zusätzlichen Kunstschnee.

Schneegrenze wird steigen

Umweltschützer hingegen warnen vor gigantischen Fehlinvestitionen und verweisen auf eine UN-Studie, die vor zwei Jahren auf der Weltkonferenz für Sport und Umwelt in Turin vorgestellt worden war.

Der Tenor dieser Studie: Durch die Klimaerwärmung wird die Schneegrenze in den Alpen bis zum Jahr 2050 von heute 1300 auf über 1500 Meter steigen. Folgt man diesem Szenario, dann sind in der Schweiz bald nur noch 44Prozent der heutigen Skigebiete schneesicher, ähnlich in Österreich.

Bayerns Wintersportorte lägen fast gänzlich im Grünen. Da aber helfen dann auch keine Schneekanonen mehr, denn auch deren Betrieb ist auf Minusgrade angewiesen. Umwelt- und Naturschützer sind aber noch aus einem ganz anderen Grund fassungslos.

Mit der Aufrüstung der Berge, so befürchten sie, werde eine neue Entwicklungsspirale in Gang gesetzt, überdies haben Schneekanonen einen enorm hohen Strom- und Wasserverbrauch.

Um einen Hektar Piste 30 Zentimeter dick mit Kunstschnee zu bedecken, sind eine Millon Liter Wasser nötig. Und das zu einer Jahreszeit, in der die Ressource Wasser knapp ist.

Bergbahnchef Bosch kennt alle diese Argumente. "Auch wir wissen, dass wir mit Schneekanonen den Klimawandel nicht aufhalten können", sagt er.

Gleichzeitig meldet er aber Zweifel an, ob denn wirklich alles so kommt, wie die Wissenschaftler voraussagen. Und schließlich sei bis 2050 ja noch viel Zeit. "Bergbahnbetreiber denken in Abschreibungszeiträumen von 15 bis 20Jahren, und wir müssen schauen, dass wir jetzt nicht den Anschluss verlieren."

© SZ vom 25.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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