Skandinavien:Hopfen und Malz gewonnen

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In Dänemark hat eine kleine Verbraucher-Organisation den Biermarkt beflügelt und einen Gründungsboom bei Brauern ausgelöst.

Von Gerhard Fischer

Als Gerd Andersen, eine Dame im besten Alter, am Sonntag gegen 14 Uhr zur Valby-Halle in Kopenhagen kam, wartete dort ein junger Mann. Klaus Seiersen, der Vorsitzende der Verbraucher-Organisation "Dänische Bier-Enthusiasten", überreichte der Frau mit dem in Skandinavien durchaus üblichen weiblichen Vornamen viele Geschenke.

In Dänemark gibt es nur Lager-Bier? Falsch. (Foto: Foto: dpa)

Dazu gehörte eine Auswahl erlesener Biere, und eine große Fleecejacke, die Gerd Andersen gleich anziehen musste. Frau Andersen war der 10.000. Gast beim dänischen Bierfestival in Kopenhagen.

Die Dänischen Bier-Enthusiasten (in der Landessprache: Danske Ölentusiaster) haben in den vergangenen sieben Jahren eine Erfolgsgeschichte ohne Beispiel hingelegt - ähnlich erfolgreich waren wohl nur die Fußballer von Chelsea London, aber die haben auch einen russischen Öl-Milliardär als Sponsor.

Alles begann in einer Küche

Die Geschichte der Organisation begann 1998 in einer Küche in einem Haus in Odense, der zweitgrößten Stadt Dänemarks. Dort trafen sich fünf unzufriedene dänische Biertrinker und stöhnten darüber, dass es in Dänemark immer nur Pils oder Lager gebe. Sie wünschten sich mehr Vielfalt, etwa belgisches Bier oder auch amerikanisches.

Man müsse etwas tun, fanden die fünf. Wenig später gründeten 22 Personen die Verbraucher-Organisation dänischer Bier-Entusiasten, und "keiner der 22", heißt es auf der Homepage, "hat damals damit gerechnet, dass man sieben Jahre später fast 11.000 Mitglieder haben würde." Das ist gewissermaßen Weltrekord, kein Land hat gemessen an seiner Bevölkerungszahl eine größere Bier-Organisation dieser Art.

Man könnte den dänischen Bier-Enthusiasten zum beachtlichen Anstieg ihrer Mitgliederzahl gratulieren und es dabei bewenden lassen. Doch die Verbraucher-Organisation ist mehr als ein feuchtfröhlicher Folkloreklub: Sie hat dem dänischen Biermarkt offenbar Beine gemacht. 1998 gab es in Dänemark gerade mal 13 Brauereien, am Ende des Jahres 2005 werden es 50 sein.

Die Macht der Verbraucher

Jeden Monat komme eine neue Brauerei hinzu, sagen die Bier-Enthusiasten, obschon sie einräumen, dass viele kleine Brauereien dabei sind. Die Bier-Enthusiasten reklamieren einen "großen Anteil" an dieser Entwicklung, schließlich sei man im beständigen Kontakt mit Brauereien, Verbrauchern, Interessengruppen und Politikern, um ein besseres und breiteres Bierangebot in Dänemark zu garantieren.

Entscheidend für diese Entwicklung war nach Auskunft Morten Jepsens vor allem die Macht der Verbraucher. Der Sprecher der Bier-Enthusiasten betont, dass die Brauereien "erst aufgrund unserer Aktivitäten überhaupt gemerkt haben, dass ein Markt für ein größeres Angebot besteht".

Plötzlich hätten dänische Brauer obergärige Sorten wie Weizen- oder Rauchbier angeboten, sagt Jepsen, "vor fünf Jahren noch gab es in diesem Land nur Lager". Ein Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen. Jepsen selbst spricht von einem "Dominoeffekt".

Präsentiert wird die neue Vielfalt auch auf dem jährlichen Festival der Bier-Enthusiasten, das ebenfalls eine rasante Entwicklung hinter sich hat: Beim ersten Fest vor vier Jahren kamen 3000 Besucher, 25 Aussteller stellten 250 Biersorten vor.

10.000 Gäste, 900 Biersorten, keine Betrunkenen

Beim fünften Festival am vergangenen Wochenende zählten die Veranstalter mehr als 10.000 Gäste, und 75 Aussteller aus der ganzen Welt präsentierten 900 Biersorten.

Die Bier-Enthusiasten haben inzwischen zahlreiche lokale Ableger des Festivals gegründet. Sie behaupten, dass es nie zuvor eine "größere Auswahl an Bier auf dänischem Boden" gegeben und kein Bierfestival auf der ganzen Welt ein so breites Sortiment zu bieten habe.

Biertrinken ist für die Verbraucher-Organisation dabei eine höchst seriöse Angelegenheit: Betrunkene sind bei den Festivals nicht zugelassen.

© SZ vom 24.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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