Singende Hotelerbin:Ein Hauch von Nichts

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Paris Hilton hat ihr erstes Album aufgenommen - die Nachricht klingt schlimmer als das Ergebnis. Ihr Produkt ist absolut konkurrenzfähig. Ob Paris' gesangliche Darbietungen von Talent gesegnet sind, spielt keine Rolle.

Dirk Peitz

Das Angenehme an der zeitgenössischen Popkultur ist, dass sich die Frage nach dem Talent erübrigt hat. Ob jemand Lieder komponieren, spielen oder singen kann, ist unerheblich geworden - man hört es der meisten Musik ja eh nicht mehr an.

"Seht her, ich hab eine CD" - Paris Hilton, wie immer unterwegs in Eigenwerbung. (Foto: Foto: AP)

Die richtige Computersoftware in der Hand der richtigen Songschreiber und Produzenten garantiert nicht nur, dass die für Popmusik wesentlichen musikalischen Lehren von der Metrik und Konsonanz eingehalten werden.

Sondern dass das alles auch modern und bitte nicht störend, bestenfalls sogar anregend klingt. Zwar erheben sich gegen diese eher funktionale Auffassung von Musik die Kasten zum Beispiel der Singer/Songwriter und Rockbands.

Die stellen sich entweder allein oder im Rudel, jedoch stets ausgestattet nur mit natürlichen Instrumenten wie der Gitarre auf Konzertbühnen und halten ihre Darbietungen allein deshalb schon für authentische künstlerische Ausdrücke eigenen Gefühls und Erlebens. Aber mal ehrlich: So was kann wahnsinnig schnell langweilen. Und schön anzusehen ist es in aller Regel auch nicht.

Inhalt würde nur stören

Paris Hilton, weltbekannte sogenannte Hotelerbin und höchst erfolgreiche Vermarkterin ihrer selbst, hat nun also ein Popalbum eingesungen. Es trägt erwartungsgemäß den Titel "Paris", verspricht also nicht mehr, als es Fräulein Hilton auch bei ihren übrigen Aktivitäten tut (Auftritte auf roten Teppichen und Partys, in Werbespots und unfreiwillig in einem Heimsexvideo) - ihre Präsenz. Für so etwas wie eine Botschaft oder einen Inhalt darüber hinaus wird sie nicht bezahlt, das würde nur stören. Präsenz ist die Währung, in der man ihre Gattung von Berühmtheit handelt.

Die jedoch entzieht sich den althergebrachten Vorstellungen von Beruf und Arbeit, erfüllt mithin aber einen alten Menschheitstraum: Paris Hilton muss weder mit ihren Händen noch mit ihrem Kopf für ihren Lebensunterhalt schuften, sie muss nur da sein. Insofern wäre es auch falsch, ihre Platte als ersten wahren Nachweis für getane Arbeit zu verstehen - sie ehrt dieses Album mit ihrer Anwesenheit.

Bestellt wurde "Paris" bei führenden Musikproduzenten, darunter zuvorderst Scott Storch, der mit seinen Auftragswerken für anerkannte Branchengrößen wie Beyoncé Knowles, Ricky Martin und 50 Cent seine Kompetenz im Hits-Verfertigen hinreichend bewiesen hat. Er und seine Kollegen Fernando Garibay, Jonathan Rotem, Greg Wells und Dr. Luke haben Hilton mit einem absolut konkurrenzfähigen Produkt ausgestattet.

Textlich gibt es dankenswerterweise keine Überraschungen

Marktüblich enthält es eine stilistische Mischung aus vor allem modernen R&B und zudem musikalischen Anleihen bei Reggae und Dance Music. Auch textlich birgt es dankenswerterweise keine Überraschungen und hält sich bei seinen Beschreibungen an die bekannten Tatsachen.

Zum Beispiel dass sich Paris Hilton über ihre allseitige Beliebtheit bei Männern freut und die Erregung von Aufmerksamkeit in allen Lebenslagen als erstrebenswert ansieht, auch in ihrer privaten Freizeit. Und dass sie trotz anderslautender Gerüchte sehr viele menschliche Eigenschaften besitzt, etwa die Fähigkeit zur Eifersucht. Das ist doch schon mal was.

Ob ihre gesanglichen Darbietungen tatsächlich von Talent gesegnet sind, spielt wie gesagt keine Rolle. Nur wenn Hilton eine vergleichbar zu akrobatischen Leistungen fähige Stimme wie etwa Mariah Carey oder Christina Aguilera besäße, könnte man dies angesichts der heutigen Musikproduktionsstandards auf dem fertigen Tonträger merken. Nun, das ist fraglos nicht der Fall.

Stören tun ihre hingehauchten und verseufzten Vokaleinsätze das Ohr des Zuhörers aber nicht, ebenso wenig wie dies ihr musikalisches Werk als solches tut. Das ist wesentlich mehr, als sich über ganz viele andere Popalben behaupten lässt.

© SZ vom 29.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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