Singapur:Trennung siamesischer Zwillinge hat begonnen

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In einer beispiellosen und hochriskanten Marathon-Operation haben Ärzte in Singapur mit der Trennung eines erwachsenen Siamesischen Zwillingspaars begonnen. Der auf zwei bis vier Tage angelegte Eingriff bei den zwei 29-jährigen Iranerinnen ist in eine kritische Phase eingetreten.

Manuela Kessler

(SZ vom 7. Juli 2003) Um 8.45 Uhr Ortszeit wurden Laleh und Ladan Bijani am Sonntag in den Operationssaal in Singapur gerollt wurden - im Bewusstsein, dass der Eingriff eine oder gar beide das Leben kosten könnte.

Werden zur Zeit operiert: die iranischen Zwillingsschwestern. (Foto: DPA)

Voraussichtlich erst am Dienstag wird man wissen, wie der Eingriff ausgegangen ist. Von der ersten Operationsphase am Sonntag hieß es, man komme sehr gut voran. Mittlerweile ist man etwa sechs Stunden hinter dem ursprünglichen Zeitplan, da die Schädelknochen dicker waren als erwartet. Der Zustand der Patientinnen sei aber stabil, hieß es.

Die Wahrscheinlichkeit spricht jedoch gegen die iranischen Zwillingsschwestern, die am Kopf zusammengewachsen sind. Zwar ist es Spezialisten wiederholt geglückt, siamesische Zwillinge erfolgreich zu trennen - in den ersten Lebensmonaten.

Noch nie wurde eine solche Operation an Erwachsenen gewagt, und Laleh und Ladan Bijani sind 29 Jahre alt. Der Versuch, die Lebensader zu trennen, welche die Hirne mit Blut versorgt, ist mit ungleich größeren medizinischen und psychologischen Unwägbarkeiten verbunden als bei Kindern.

Ärtze müssen alternative Blutversorgung legen

Die Chirurgen mussten zuerst einen alternativen Versorgungskanal schaffen, sie entnahmen zwei Venenpartien aus der Hüfte einer Schwester, aus denen im Schädel beider Bypässe zur Blutversorgung ihrer Gehirne gelegt werden sollten. Die kritischste Phase hat in der Nacht zum Montag begonnen.

Deutsche Ärzte befanden das Risiko 1996 für die Iranerinnen als zu groß. Diese verheerende Diagnose vermochte sie jedoch nicht abzubringen vom Wunsch, ein Eigenleben zu führen. Sie sind es leid, aneinander gekettet zu sein. Das Nachsehen hatte oft die introvertierte Laleh. Sie hat in Teheran nur Recht studiert, weil ihre Schwester Anwältin werden möchte.

Die eigene Zukunft sieht sie im Journalismus. Die Unvereinbarkeiten haben die Schwestern im November nach Singapur gebracht, wo es dem Neurochirurgen Keith Goh 2001 gelungen war, die nepalesischen Zwillinge Ganga und Jamuna zu trennen, in einer OP von 97 Stunden.

Erfolgschance liegt bei 50 Prozent

Seither wurden die Gehirne der Bijani-Zwillinge am Raffles Hospital getestet, um zu identifizieren, welche Teile die lebenswichtigen Funktionen steuern - und welche geopfert werden könnten. Die Erfolgschance, beschied Keith Goh den Bijanis, beträgt 50 Prozent.

Ein internationales Team von 27 Ärzten hat er um sich geschart. Sie operieren im Schichtbetrieb und kostenlos, assistiert von 100 Schwestern und Pflegern. Das private Krankenhaus verzichtet auf eine Rechnung: Es geht Singapur um den medizinischen Ruhm, nicht ums Geld. Sponsoren übernehmen die 250.000 Euro, die Spezialgeräte und Nachbehandlung kosten.

"Es gehen ihnen viele Gedanken durch den Kopf."

In der langen Wartezeit hat sich die iranische Gemeinde Singapurs der Zwillinge angenommen. Dutzende Landsleute hielten im Hospital Gebetswache, als Laleh und Ladan Bijani kahl geschoren auf dem Operationsstuhl platziert wurden, der maßgefertigt worden war.

Unmittelbar vor der Operation sei die Anspannung der Zwillinge sehr gestiegen, berichtete Krankenhaussprecher Prem Kumor Nair. "Sie sind natürlich auch nervös, gespannt, und es gehen ihnen viele Gedanken durch den Kopf." Sie seien aber auch sehr glücklich, dass der Tag der Operation endlich da sei.

(sueddeutsche.de)

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