Sicherheit:Draußen bleiben

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Personalisierte Tickets werden mehr und mehr zum Standard in der Festival-Welt. Jetzt hat die belgische Polizei 38 Besucher von "Tomorrowland" ausgesperrt.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Das "Tomorrowland" im Städtchen Boom, südlich von Antwerpen, ist eines der größten und beliebtesten Tanzfestivals der Welt. Von Carl Cox bis Sven Väth treten alle großen DJs auf. 2017 findet es gleich doppelt statt, am nächsten und übernächsten Wochenende. Die 360 000 Tickets waren, wie immer, binnen Minuten ausverkauft. 38 Freunden elektronischer Musik allerdings wurde die personalisierte, auf ihren Namen ausgestellte Eintrittskarte kürzlich gesperrt. Die Polizei hatte ihre Daten überprüft und sie als mögliche Gefahren für die Sicherheit erkannt. Deshalb müssen sie draußen bleiben.

In Belgien ist daraus ein Skandal geworden. Denn zum einen hat man den Betroffenen nicht erzählt, warum genau sie ausgesperrt werden. Zum anderen screente die Polizei nicht nur ihre, sondern die Angaben aller 360 000 Ticketinhaber, zur Hälfte Ausländer. Sie glich sie mit einer nationalen Polizeidatenbank ab und den Gegenstücken bei Europol und Interpol. Dies geschah ohne konkreten Verdacht, allein aufgrund der erhöhten Gefährdungslage im terrorgeplagten Belgien.

Gegen die Maßnahme gingen 35 Klagen bei der belgischen Datenschutzkommission ein. Es werde inzwischen sehr oft auf die Terrorgefahr verwiesen, sagt Caroline de Geest, Sprecherin der Kommission, "aber das ist kein Grund, gegen die Verfassung zu verstoßen". Eine allgemeine Durchleuchtung aller Ticketinhaber sei ein unzulässiger "Eingriff in die persönliche Lebenssphäre". Zumal das Netz hier viel zu weit ausgeworfen werde, denn schon ein "Jointchen" könne zum Eintrag in die nationale Datenbank führen. Einer der Gesperrten klagte in den Medien, sein einziges Vergehen sei bisher eine Autofahrt mit zu viel Alkohol gewesen; ein anderer meinte, ihm werde wohl angekreidet, im Vorjahr mit einer Wasserpistole voll Gin Tonic hantiert zu haben.

Man habe keineswegs "Fahrraddiebe" im Visier, entgegnete ein Polizeisprecher, sondern schwere Fälle. "Uns interessierte, ob einige Besucher eventuell international gesucht wurden." Deshalb wandte sich die Polizei an die Festivalleitung, die die Daten bereitwillig weitergab.

Das sei doch ein "gesunder Sicherheitsreflex", rechtfertigte sich Innenminister Jan Jambon im Parlament. Der oberste Datenschützer der Regierung widersprach, "allgemeine Kontrollen" bei Großereignissen seien wohl keine effiziente Sicherheitsmaßnahme. Der Polizei-Ausschuss hat eine Untersuchung gestartet.

In Deutschland ist noch nichts Derartiges bekannt geworden. Einige Festivals wie "Splash" oder "Melt" geben zwar ebenfalls personalisierte Tickets aus. Allerdings nicht, um die Daten der Polizei zu schicken, sondern um den Schwarzmarkt und Fälschungen zu verhindern. Solche Karten gebe es nur bei Veranstaltungen, die garantiert ausverkauft seien, sagt Oliver Vordemvenne, der die "Nature one" organisiert, ein Elektro-Festival. Dort würden nur die Mitarbeiter gescreent, nicht die Gäste. Im Einzelfall seien solche Überprüfungen zulässig, sagt Daniel Strunk, Sprecher der Datenschutzbeauftragten in Nordrhein-Westfalen, wenn Betroffene ausdrücklich einwilligen. Für die anlasslose Weitergabe ganzer Listen gebe es indes keine Grundlage.

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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