Selbstversuch "Kinder haben":Mach' bitte die Klappe auf!

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Eigentlich ist "Leben!" ein tolles Geschenke - für alle Nicht-Eltern.

mcs

Es gibt Unmengen von Ratgebern zum Thema Kinder. Schließlich gibt es ja auch Unmengen von Fragen, die man sich bei der Erziehung, Versorgung, Pflege und was die Kleinen noch so brauchen, stellt.

(Foto: Foto: mcs)

"Leben!" hat den Anspruch, auch hier praktische Tipps für den alltäglichen Umgang mit dem Nachwuchs zu geben.

Beispiel Zähneputzen, Tipp 555: Unser Sohn wird jetzt zwei - und eines der größten Probleme, die wir mit ihm haben, ist das abendliche Zähneputzen. Das tut der Kleine gern - jedoch nur, wenn er die Bürste selbst führen darf. Und das ist natürlich völlig ineffektiv. Übernehmen jedoch Papa oder Mama die Führung, so ist es mit dem bis dahin vielleicht ruhigen Abend vorbei.

"Leben!" gibt unter anderem Informationen über die Art der Zahnbürste, die man braucht und die sanft kreisenden Bewegungen, mit denen die Beißerchen behandeln werden sollten - und dass es ein individuelles Zahnputztraining in allen modernen Zahnarztpraxen gibt. Nun, auf diese Informationen wird man sowieso unweigerlich gestoßen, sobald man Kinder hat - von dem Zahnputztraining vielleicht mal abgesehen.

Da man als Eltern außerdem sowieso alle möglichen Ratgeber kauft, die dann mehr in die Tiefe gehen, stellt sich die Frage, wieso man ausgerechnet in einem Buch nachschauen sollte, das die Thematik lediglich anreißt. Lösungsvorschläge für die echten Probleme beim Zähneputzen fehlen schließlich, womit wir zurück wären bei meinem Sohn.

Der macht nämlich dicht, sobald es um mehr geht, als nur die Zahnpasta von den Borsten zu lutschen. Zappeln, schreien, toben - das sind für viele Eltern die eigentlichen Probleme bei Zähneputzen. Und hier hat "Leben!" nicht viel zu bieten.

Aber was ist mit Tipp 534 "Quengeln richtig deuten"? Auch hier hat "Leben!" sich einer wichtigen Frage gewidmet. Warum, zum Teufel, ist der Kleine wieder so unleidig, fragen sich Eltern immer und immer wieder. Auf keinen Fall, so die Autoren des Universalratgebers, möchte das Kind die Eltern ärgern. Vielmehr will es sagen: "Ich fühle mich irgendwie unwohl, bitte hilf mir!" Nun ist es löblich und wichtig, Eltern immer wieder daran zu erinnern, dass der Nachwuchs ihnen nicht gezielt und bewusst auf die Nerven geht.

Wenn allerdings Gequengel ein Vorbote für eine Infekt sein könnte, was der Ratgeber gleich als erstes Beispiel vorschlägt, dann ist mein Sohn ein Bazillen-Mutterschiff sondergleichen. Wenn etwas nicht gleich - das heißt innerhalb von Sekundenbruchteilen - nach seinem Willen geht, dann wird gequengelt.

Dass es ihm zu lange dauert, bis der Joghurt auf dem Tisch steht, dass er den weißen Löffel will, nicht den gelben, dass er das Milchprodukt selbst in sein Schälchen schaufeln will - und dann noch mit seinem Bagger - und dann jammert, weil es nicht so läuft, wie er es will - hängt vermutlich nicht mit den Milchsäurebakterien im Joghurt zusammen.

Ok, tatsächlich heißt es häufig, gequengelt wird vor einem Entwicklungsschub - ein weiterer Erklärungsvorschlag des Ratgebers. Auch quengeln Kinder natürlich in ungewohnten Situationen und so fort. Letztlich kann man also jedes Mal Vermutungen aufstellen: Ist es vielleicht jetzt ein Entwicklungsschub?

Aber der Vorschlag, dem Kind gegen das Quengeln immer wieder Spielideen zu zeigen, hilft nur bedingt weiter. Der Bagger bleibt jedenfalls im Sandkasten.

Und gefährliche Küchen-Utensilien oder das Wohnzimmer-Dekor außer Sichtweise zu räumen, damit nicht enttäuscht gequengelt wird, wenn es heißt: "Bohr nicht den Finger in die Lautsprechermembran", sagt sich leichter, als es getan ist. Auch spezielle Kinder-Ratgeber bieten natürlich keine Patentlösungen, aber "Leben!" lässt Eltern doch relativ ratlos zurück.

Weitere Punkte, etwa zum Fremdeln oder zur Förderung der Konzentrationsfähigkeit, werden zwar ausführlicher behandelt - doch letztendlich ist das Fazit: Wenn es um das Leben mit Kindern geht, empfehlen wir das Buch für alle Nachwuchslosen, die Eltern im Bekanntenkreis haben.

Wer die Ratschläge verinnerlicht hat, tut sich leichter im Umgang mit Eltern und Kindern. Außerdem kann man kluge Ratschläge geben. Zwar sind die den Betroffenen schon bekannt - immerhin beweist man so jedoch, dass man sich für die Kinder interessiert. Und man kann sich mit Mamas und Papas über ihr Lieblingsthema unterhalten.

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