Sekten-Affäre in Tschechien:Die rätselhafte Barbora

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Der Fall bewegt ganz Tschechien: Eine 33 Jahre alte Frau hat sich als Teenager verkleidet und in Kinderheimen versteckt. Die Polizei entdeckte Narben an ihrem Körper - und verdächtigt eine Psychosekte.

Klaus Brill, Prag

Es ist eine jener Affären, deren Skandalgehalt sich nur in kleinen Dosen enthüllt. Erst war da nur der Wirbel um ein angeblich 13-jähriges tschechisches Mädchen, das sich als 33-jährige Frau entpuppte und in Skandinavien verschwand. Psychiater vermuteten eine schwere Persönlichkeitsstörung.

Schlüsselfigur in der Prager Affäre: Barbora Skrlova (Foto: Foto: AFP)

Inzwischen aber ermittelt die Polizei, ob hinter dem bizarren Fall nicht eine Psychosekte steht, die Kinder grausam gequält und pornografische Aufnahmen von ihnen gemacht haben könnte.

Schlüsselfigur ist die 33-jährige Barbora Skrlova, die bis Anfang 2007 in einem Kinderheim in Brünn arbeitete. Danach tauchte sie in der mährischen Ortschaft Kurim auf, als dort die Polizei durch Zufall auf eine Familie stieß, in der zwei Jungen im Alter von acht und zehn Jahren misshandelt worden waren. Barbora Skrlova lebte ebenfalls in dieser Familie und gab sich als 13-jähriges Mädchen mit Namen Anicka aus. Sie floh dann aus dem Heim, in das sie mit den beiden Jungen eingewiesen wurde.

Unterwegs in Skandinavien

Im Sommer vorigen Jahres tauchte die Geheimnisvolle in Kopenhagen auf, wo sie der tschechischen Zeitung Lidove noviny ein Interview gab und einräumte, sie habe mehrfach die Rollen getauscht. Schon vor der Entdeckung hatte sie in tschechischen Kinderheimen und auf Behörden offenbar mühelos die Betreuer und Beamten getäuscht, indem sie sich den Busen mit einem Tuch eng an den Körper band und lange Zöpfe sowie eine dicke Brille trug.

Später reiste die junge Frau mit Unterstützung mehrerer tschechischer Erwachsener nach Norwegen, wo sie jetzt vor zwei Wochen in einem Kinderheim in Tromsoe entdeckt wurde. Dort hatte sie sich die Haare abrasiert und diesmal eine Identität als 13-jähriger Junge mit Namen Adam angenommen.

Dazu verwandte sie einen Pass, den ihr der tschechische Theatermanager Martin Fahrner von seinem Sohn Adam beschafft hatte. Der Mann, der inzwischen festgenommen wurde, gehörte nach Medienberichten vor etwa 20 Jahren zu einer Gruppe, die zeitweise von Barbora Skrlovas Vater Josef Skrla geleitet wurde. Sie galt als eine Art Psychosekte, die einer "Bewegung des Heiligen Gral" nachgeeifert haben soll.

Die junge Frau wurde inzwischen von Norwegen nach Tschechien überstellt und wird von der Polizei verhört. Auf ihrem Körper fanden sich, wie die Zeitung Mlada fronta dnes jetzt meldete, zahlreiche Narben, die offenbar von früheren schweren Folterungen zeugen, vor allem an empfindlichen Stellen wie auf den Fußsohlen und unter den Achselhöhlen. Dem Bericht zufolge erklärte die 33-Jährige auch, sie sei von ihren Folterern fotografiert und gefilmt worden.

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