Malmö - Im vorderen Zimmer der Ausstellung steht ein sehr kleiner Fernseher, aber der Lärm, der daraus dringt, füllt den ganzen Raum. Neonazis, die Uniform tragen, brüllen durch die Gegend und halten blaue Flaggen mit gelben Hakenkreuzen in den Händen.
Sie verbrennen Bücher von Winston Churchill, Hans Hellmut Kirst und Tage Erlander, dem früheren schwedischen Regierungschef, und irgendwann ruft eine Frau mit einer Stimme, die sich überschlägt: "Von Walhalla aus soll der größte Feldherr aller Zeiten, Adolf Hitler, mit Stolz auf uns herunterschauen!" Sie ruft es auf Schwedisch, denn sie ist Schwedin.
Im Schlossmuseum in Malmö findet derzeit eine Ausstellung mit dem Titel "schonischer Nationalsozialismus" statt. Schonen, die südlichste Provinz Schwedens, ist in Deutschland sehr bekannt, denn hier ermittelt Henning Mankells berühmter Kommissar Kurt Wallander. Schonen ist schön, die Landschaft ist weit, grün und ziemlich flach, vereinzelt sieht man Bäume, noch vereinzelter ein paar Gehöfte.
Am Eingang der Ausstellung trifft man auf ein Gemälde, das diese Gegend zeigt. Das Bild ist durchsichtig, und wenn man ganz nahe herantritt, sieht man dahinter Uniformierte und einen Verbrennungsofen, aus dem eine Hand hängt. Alle paar Minuten ertönt ein knarzender Laut, und die Uniformierten und der Ofen werden erleuchtet - so, als ob die Wahrheit bloß manchmal aufscheint in einem schönen Land, das gerne zudeckt, was es Böses gibt.
Neben dem Bild ist eine Tafel angebracht mit Sätzen aus der schwedischen Zeitung Unser Kampf von 1933: "Die Region, in der sich der Nationalsozialismus am meisten ausbreitet, ist Schonen. Es gibt gegenwärtig kaum ein Dorf, in dem die neue Lebensanschauung nicht seine selbstverständlichen Vorkämpfer hätte."
Schweden war im Zweiten Weltkrieg neutral, aber das Land pflegte enge wirtschaftliche Beziehungen mit dem Dritten Reich und ließ es zu, dass mehr als zwei Millionen deutsche Soldaten durch Schweden an die Kriegsfronten in Finnland und Norwegen transportiert wurden.
Propagandaminister Joseph Goebbels notierte 1942 in sein Tagebuch: "Schweden hat mehr für die deutsche Kriegsführung getan, als man gewöhnlich annimmt. ... Sie betonen ihre Neutralität, aber auf eine Weise, die zu unserem Vorteil ist."
Manche Historiker nennen das Realpolitik - die Schweden hätten so eine Okkupation durch die Wehrmacht verhindert. Andere sagen, die schwedische Regierung sei feige gewesen.
Nur wenige schwedische Politiker waren überzeugte Nationalsozialisten, aber es gab Menschen, die die Nazis bewunderten, vor allem in Schonen, das am nächsten an Deutschland liegt. Es handelte sich dabei insbesondere um Bauern, Soldaten, Leute aus der Oberschicht und Akademiker. In der Ausstellung heißt es, dass es "an der Uni in Lund viele respektierte Akademiker gab, die deutschfreundlich und antisemitisch waren." Bei den Bauern und Soldaten ging es vor allem um persönliche Vorteile.
Während in Schweden Regimenter aufgelöst und die Wehrpflicht verkürzt wurde, wurde im Dritten Reich die Aufrüstung rasant vorangetrieben. Und während in Schweden die Bauern in der Krise waren, galten sie im Dritten Reich als Rückgrat der Gesellschaft. So wurden die Nazis zum Vorbild. In manchen Familien Schonens hat sich diese nazifreundliche Einstellung bis heute gehalten, Museumschef Kenneth Johansson spricht von einem "geographischen Erbe".
Hinzu kommen die Unzufriedenheit über die liberale Regierung im fernen Stockholm und Gründe, die auch in Deutschland den Rechten Zulauf verschaffen: Arbeitslosigkeit etwa, oder die Suche nach Gemeinschaft. Bei den Wahlen 2002 erhielt die Partei Schweden-Demokraten, der politische Arm der Rechtsextremen, landesweit 50 kommunale Mandate - 30 davon in Schonen.
Neben den Schweden-Demokraten gibt es die - noch radikaleren - Nationaldemokraten und eine lange Reihe von rechtsextremen Organisationen, zum Beispiel die Nationalsozialistische Front, die knapp 1000 Mitglieder haben soll - die meisten davon leben in Schonen. Die gesamte Nazi-Bewegung nennt sich "Vit Makt" ("Weiße Macht") und ist vereint in ihrem Hass auf Homosexuelle, Ausländer, Linke und die so genannte "jüdische Weltverschwörung". Sie nutzen das Internet und die Musik, um Anhänger zu gewinnen. Und sie sind sehr gewalttätig.
Die Ausstellung in Malmö zeigt Bilder vom Mord an dem Gewerkschafter Björn Söderberg, das kaputte, blutverschmierte T-Shirt des schwulen Kent, dem Neonazis tödliche Stiche in den Rücken versetzten, und das verquollene, schrecklich rot und blau geschlagene Gesicht des 16-jährigen John Hron, der von den Rechtsradikalen zu Tode geprügelt worden ist.
Bilder wie diese, aber auch jene vom Leichen-Abtransport aus dem deutschen Konzentrationslager Bergen-Belsen 1945, haben die Veranstalter veranlasst, Kinder unter zwölf Jahren nicht in die Ausstellung zu lassen; Zwölf- bis 16-Jährige sollen sie nur in Begleitung eines Erwachsenen besuchen. Die Schweden sind da sehr sensibel, in Deutschland sieht man solche und schlimmere Bilder in vielen frei zugänglichen Ausstellungen - und fast täglich im Fernsehen.