Schottland:Der Zauber von MacFeng-Shui

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Weil die Bewohner eines schottischen Dorfes die Rache von Feen fürchten, darf ein Bauunternehmer einen alten Stein nicht antasten.

Wolfgang Koydl

Jeder, der schon einmal ein Haus gebaut hat, kennt die Erfahrung: Der Prozess ist alles andere als märchenhaft, und zu den größeren Problemen gehört es, die nötigen Auflagen zu erfüllen und Genehmigungen einzuholen.

Doch was geschieht, wenn sich die Baubehörden mit der Märchenwelt verbünden? In diesem Fall werden die Hürden für den Bauherren schier unüberwindlich - vor allem in einem Land, in dem es noch immer von Elfen, Gnomen, Hobgoblins und Pixies nur so zu wimmeln scheint.

Diese Erfahrung musste der britische Bauunternehmer Marcus Salter machen, der in der schottischen Grafschaft Perthshire nördlich von Edinburgh eine Wohnsiedlung in einer unberührten Gegend nahe dem romantischen Loch Earn bauen wollte. Alles schien geklärt, die Bulldozer fuhren bereits auf, um die Baugrube auszuheben, als ein Dörfler aufgebracht herbeistürmte und rief: "Rührt diesen Felsen nicht an, ihr bringt die Feen um."

Wütende Feen

Erste Vermutungen, dass es sich bei dem zornigen Herren um einen exzentrischen Einzelfall handeln könnte, musste Salter rasch beiseite wischen. Nahezu alle Bewohner des Dorfes St. Fillan waren - wie die Londoner Times berichtet - überzeugt davon, dass der pyramidenförmige Stein, der in der Mitte einer ausgedehnten Wiese aus dem Erdreich ragt, die Heimstätte dieser Märchenwesen sei.

"Mehrere Leute riefen uns an und sagten, dass wir die Feen störten", erinnert sich Salter. "Ich glaubte zuerst, dass die Leute einen Witz machten, aber das kam schlecht an." Selbst als die Bautrupps einen weiten Bogen um den vermeintlichen Zauberstein machten, verstummten die Proteste nicht.

Die Feen, so rügten die Dorfbewohner, würden sicherlich wütend werden. Dies sollte aber unter allen Umständen vermieden werden, denn echte Feen haben - wie die einschlägige Fachliteratur verzeichnet - wenig mit den lieblichen Flatterwesen zu tun, wie sie William Shakespeare im Sommernachtstraum erfand. Zumal die schottische Fee nach diesen Angaben ziemlich kratzbürstig werden kann, wenn man sie reizt.

In St. Fillans waren es allerdings zunächst die Sterblichen, die sich ärgerten.

Die Angelegenheit verließ denn auch rasch das Reich des Märchens, als sich der örtliche Gemeinderat der Sache annahm - und hinter die empfindliche Feenwelt stellte. Die Ratsvorsitzende Jeannie Fox bekannte, dass auch sie an Feen glaube, auch wenn sie sich nicht sicher sei, dass sie wirklich unter jenem ominösen Felsen ihr Zuhause hätten.

"Mir hatte man gesagt, dass der Felsen eine historische Bedeutung hat", erklärte sie, "dass Könige auf ihm gekrönt wurden". Für sie war es weniger Feenzauber, der gegen eine Verlegung des bemoosten Steines sprach, sondern eher eine Art von Feng-Shui - oder, wie es die Times mit einer spöttischen Verbeugung nach Schottland nannte - MacFeng-Shui.

Schließlich mischte sich auch die Baubehörde ein und drohte mit einem Entzug der Baugenehmigung. Sie berief sich auf einen Passus in ihren Richtlinien, in dem es heißt, dass "lokale Gebräuche und Überzeugungen" bei Bauvorhaben berücksichtigt werden müssten. Angesichts der gemeinsamen Front von Federfuchserei und Feenzauber kapitulierte Bauunternehmer Salter: Jetzt soll seine Wohnanlage rings um einen Park gebaut werden. In der Mitte der Grünfläche wird ein merkwürdiger geformter Felsen aus dem Erdreich ragen.

© SZ vom 22.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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