Schönheits-TV:Brust oder Keule?

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16 Frauen wollen in der Show "The Swan" mit chirurgischer Hilfe schön werden.

Von René Martens

Dietmar Löffler sieht eigentlich ganz knuffig aus. Fast lässig lässt der männliche Protagonist des Reality-TV-Formats The Swan - Endlich schön! das Hemd aus der Hose hängen, obwohl das überhaupt nicht zur Atmosphäre des futuristischen Hamburger Designer-Hotels 25 hours passt, in dem Pro Sieben die Show vorstellt.

Vorher - nachher: Rachel Love-Frasier ist der amerikanische Schwan 2004. (Foto: Foto: AP)

Löffler ist Chefarzt einer real existierenden Klinik, in der der Privatsender 16 Kandidatinnen unter Kamerabeobachtung verschönern lässt - und wenn er den versammelten Medienpartnern nun mithilfe intimer Ganzkörperansichten das mit Makeln behaftete Menschenmaterial erläutert, löst das ein gewisses Unbehagen aus.

Während das Hotelpersonal in Schnapsgläsern Paprikastreifen mit Dip kredenzt, redet sich Löffler derart in Rage, dass man eine Ahnung davon zu bekommen glaubt, wie hier zu Lande der Biologieunterricht in finsteren Zeiten ausgesehen haben muss.

Die Kandidatin Daniela, sagt Herr Doktor, finde ihre Brust "zu sehr hängend, zu leer". Bei Bianca, 27, seien "Bauch und Brust überhaupt nicht altersentsprechend", weshalb in diesem Fall unter anderem eine Bruststraffung mit Implantaten vorgesehen sei.

Auch sein Kollege, der "Oralchirurg" Alexander Berstein, sagt, was Sache ist: Manuela leide unter einer "ganz, ganz krassen Verschachtelung der Oberkieferfront".

Die drei - und mit ihnen 13 andere "hässliche Entlein" - lassen sich zwei Monate lang im Pro-Sieben-Beauty-Camp kasernieren und von den Doktoren traktieren. Zur Motivlage erwähnt Bianca, sie wolle eine "glückliche Ehe", ihre sei "ein bisschen eingeschlafen, da muss mehr Feuer rein". Tatjana, 30, wiederum möchte "wieder eine bessere Mama" werden.

Hilfreich ist hierbei sportlicher Ehrgeiz, denn je zwei der 16 Kandidatinnen treten in acht Folgen zum Duell an; nur wer das K.o.-System übersteht, qualifiziert sich fürs Finale, bei dem The Swan gekürt wird - der schöne Schwan.

In den USA hat es der Sender Fox mit dem Original-Schwanengesang zu hohen Marktanteilen gebracht und inspirierte die Konkurrenz von Disneys ABC zur Schönheits-OP-Show Extreme Makeover. Die kritische Presse freilich höhnte über "Frankensteins Bräute."

Nun also wollen sich auch junge deutsche Frauen verwandeln und joggen schon seit einiger Zeit zwecks Muskelbildung durchs Gelände, worüber ein Sportlehrer wacht: "Ich geh um sechs, halb sieben mit den Mädels in den Wald." Für Operateur Löffler lohnt sich die Schnippelei: Der Großauftrag von ProSieben umfasst 50 Einzeleingriffe. Löfflers Leute sind aber keine prinzipienlosen Skalpellhelden - hinter dem Inhalt des MTV-Konkurrenzformats I Want A Famous Face beispielsweise "stehen wir überhaupt nicht", sagt der Arzt.

Zudem bezeugt TV-Unterhaltungschef Jobst Benthues, die Chirurgen hätten es sich von vornherein verbeten, "auf Befehl grimmig gucken oder lächeln" zu müssen. Der Sender spendiert den runderneuerten Damen auch Hilfen fürs Ego: Eine Diplom-Psychologin sorgt fürs Seelenheil, eine Diplom-Oecotrophologin für die richtige Post-OP-Ernährung. Löffler: "Mit viel Eiweiß, damit die Wunden heilen."

Als Krönung der totalen Therapie setzt Pro Sieben noch Verona Pooth ein, die sich vom Konzept "emotional berührt" fühlt. The artist formerly known as Feldbusch (TAFKAF) will mit der Moderation eine Imagekorrektur einleiten: Sie trägt das Haar nun halblang.

Weil die gesamte Presse mit OP-Shows bisher wenig freundlich ins Gericht gegangen ist und sich mit Hire or Fire ein anderes Reality-Format als Rohrkrepierer erwiesen hat, verschob Pro Sieben die Premiere um zwei Wochen - und die Sendezeit von 20.15 auf 21.45 Uhr. So startet das Spektakel nun nach Sex and the City.

Wie auch immer The Swan ankommt - Pro Sieben will offenbar weiter daran arbeiten, die Körperkultur seiner Zuschauer zu verbessern: Derzeit produziert Studio Hamburg für Pro Sieben ein TV-Movie mit dem viel versprechenden Titel Popp' dich schlank.

The Swan, Pro Sieben, 21.45 Uhr.

© SZ vom 9.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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