Schleichwerbungs-Vorwürfe:"Mach Du den ersten Schritt!"

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Der Fall ,,Becel'': Der umstrittene ARD-Sportkoordinator Boßdorf muss gehen. Der Vertrag wird nach etlichen Vorwürfen nicht verlängert.

Hans-Jürgen Jakobs und Christina Maria Berr

Sympathisch wie früher, als sie noch die Skihänge in Meistertempo hinunter rasten, sind Christian Neureuther und Rosi Mittermaier nun für den ,,Becel-Nordic-Walk'' unterwegs - für das Stockwandern also, das die Diät-Margarine des Konzerns Unilever fördert. Angesichts des Mottos ,,Walken Sie mit!'' wollte auch die ARD nicht faul sein - und brachte elf je zwei Minuten lange Kurzformate unter dem Namen ,,Becel Deutschland Walk'' am Vorabend im Ersten Deutschen Fernsehen unter. Neureuther und seine Rosi warben da für die gute Sache und natürlich auch für Becel.

Hagen Boßdorf: Der Vertrag wird nicht verlängert. (Foto: Foto: AP)

Das Filmchen-Festival der einstigen Skistars hat Konsequenzen: ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf, 42, muss gehen. Soviel Bewegung war in der Kooperation mit den Becel-Nordic-Walkern eigentlich nicht eingeplant - doch die Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender sahen keine andere Wahl. Am Mittwoch beschlossen sie in einer Schaltkonferenz, auf eine Vertragsverlängerung mit der ohnehin seit Monaten umstrittenen Führungskraft zu verzichten. Boßdorf hätte schon im Vorfeld einen Konflikt mit den ARD-Werberichtlinien erkennen müssen, fanden die TV-Chefs. Zwar trage der Sportkoordinator keine redaktionelle Verantwortung, trotzdem habe er ,,die in seiner Position notwendige journalistische Professionalität vermissen lassen'', so eine Presseerklärung.

WDR-Intendant Fritz Pleitgen hatte die Sache mit der neuen Institution ,,Programmbeobachtung'' aufgerollt. Schon im September informierte er den amtierenden ARD-Vorsitzenden Thomas Gruber, der in München den Bayerischen Rundfunk (BR) leitet. Die Juristen nahmen sich des Falls an - und urteilten, bei der redaktionellen Gestaltung sei es zum ,,Themenplacement'' gekommen, also zur werblichen Förderung eines Themas, das einem Produkt zugute kommt. Das Konzept der österreichischen Agentur Weirather - Wenzel & Partner (WWP) sah eine Integration von ,,markenrelevanten Themen im Umfeld des Produkts Becel wie Gesundheit, Ernährung, Cholesterin und Herz-Kreislauf'' vor.

Nordic-Walker-Fan Neureuther, der seit vielen Jahren für die ARD als Ski-Alpin-Experte arbeitet, zeigt sich geschockt: ,,Ich war mir absolut sicher, dass nichts passieren kann, weil es von der ARD abgesegnet ist.'' WWP organisierte wohl das, was die Agentur auf ihrer Homepage ,,publikumswirksame Promotion-Events'' nennt - sie forsche ,,die besten Kommunikationswege für Ihr Sportmanagement aus'', locken die Kreativen Kunden. Für Becel verfassten die Werber ein sportliches Konzept. Fachmann Neureuther rief ARD-Programmdirektor Günter Struve an, der antwortete, die Sache sei äußerst problematisch, und ums Konzept bat. Schließlich sagte Struve schriftlich ab. Einige Monate später, im März, machte WWP-Manager Michael Zeitler einen neuen Versuch und rief Neureuther an, der gerade in den USA urlaubte. Der Sportsmann schuf die Verbindung mit Boßdorf: ,,Ich habe Zeitler nur geholfen, dass er an die richtige Adresse in der ARD kommt.'' Neureuther fühlt sich involviert, aber nicht verantwortlich: ,,Das hat keiner geahnt.''

,,Vollständig aufgeklärt''

In den vergangenen Monaten hatte Boßdorf, der im ostdeutschen Ort Schwedt geborene Journalist, vieles ausgehalten und ausgesessen: Vorwürfe wegen seiner angeblichen Stasi-Mitarbeit als IM ,,Florian Werfer'', ein aufgeflogener Schleichwerbefall im Promi-Biathlon der ARD sowie die Mitarbeit beim Abschluss dubioser Verträge mit Radsportstar Jan Ullrich, den die ARD für Interviews bezahlte. Und doch beschlossen die Intendanten im September, einer Vertragsverlängerung für Boßdorf um fünf Jahre zuzustimmen.

Nun strichen sie ihm Becel aufs Brot. Auch andere Mitarbeiter der ARD sind in Gefahr: Schließlich hat ein freier Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks die inkriminierten Becel-Filme produziert, unter der Obhut des Programmbereichs Sport. Zuständig: Werner Rabe. BR-Intendant Gruber will arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen die redaktionell Verantwortlichen einleiten. Die ARD werde Sorge tragen, erklärt Gruber, ,,dass der komplette Vorgang vollständig aufgeklärt und dokumentiert wird''.

Wie heißt es so schön beim ,,Becel Deutschland Walk'': ,,Mach' den ersten Schritt.''

© SZ vom 12.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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