Schlag gegen die Cosa Nostra:Verräterische Zettel

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Weil er Telefone hasste, schrieb Mafia-Boss Provenzano seine Anweisungen auf Papier - einer Auswertung 200 dieser Mitteilungen folgten weitere Verhaftungen.

Christiane Kohl

Als machtvoller Mafiaboss hatte sich Bernardo Provenzano beinahe 43 Jahre lang erfolgreich vor den italienischen Ermittlern versteckt. Jetzt sitzt er als alter Mann im Gefängnis: Schüttere, weiße Haare und eine Brille, hinter der kleine, müde Augen sitzen - so zeigt das Polizeifoto den gefürchteten Chef der sizilianischen Cosa Nostra.

Bernardo Provenzano, genannt der Boss der Bosse. (Foto: Foto: dpa)

Aus Sicherheitsgründen war der 73-Jährige am Mittwoch aus dem Gefängnis Ucciardone in Palermo nach Terni in Umbrien verlegt worden. In dem dortigen Gefängnis hat man den Boss der Bosse nach Berichten der italienischen Nachrichtenagentur Ansa in einem besonderen Trakt untergebracht, Tag und Nacht werde jede seiner Bewegungen von Videokameras überwacht.

"Der Mythos von der Unbesiegbarkeit der Mafia fällt"

Am Dienstag hatte eine Spezialeinheit der Staatspolizei den Mafiaboss in einem Bauernhaus bei Corleone, Provenzanos Heimatort, aufgespürt, Tags darauf feierten italienische Zeitungen die Festnahme als den empfindlichsten Schlag gegen die Mafia seit der Verhaftung von Provenzanos Landsmann Toto Riina vor 13 Jahren.

Der Chef der Staatsanwaltschaft in Palermo Piero Grasso erklärte: "Mit der Verhaftung fällt der Mythos von der Unbesiegbarkeit der Mafia". Doch zugleich warnte der Chefermittler davor, dass mit dem entstandenen Machtvakuum in der "cupola", dem obersten Führungsgremium der sizilianischen Mafia, ein neuer Krieg um die Vorherrschaft in der Ehrenwerten Gesellschaft entfacht werden könnte.

Die Verhaftung gilt als Erfolg der jahrelangen akribischen Ermittlungen, die Grasso geleitet hatte. Immer mehr Männer aus Provenzanos Umfeld hatten die Strafverfolger aufgespürt, und es gelang ihnen auch, sie zum Reden zu bringen. So beispielsweise Antonino Giuffre, der einst als rechte Hand von Provenzano wirkte. Giuffre sagte nicht nur in zahlreichen Mafia-Prozessen aus, er gab den Ermittlern auch Hinweise auf andere Provenzano-Getreue.

Der Mafia-Boss verabscheute Handys und Telefone

Der Mafia-Boss brauchte eine Menge Personal, schon alleine als Briefträger. Da er Handys und Telefone verabscheute, mussten stets seine kleinen Zettelchen mit den Anweisungen, den so genannten "pizzini", zu seinen Befehlsempfängern gebracht werden.

In dem Bauernhaus, wo Provenzano verhaftet wurde, fand die Polizei nun an die 200 dieser Zettel. Die ganze Nacht lang saßen Staatsanwälte in Palermo über den Papieren, um sie zu entziffern. Nach einer ersten Auswertung gab es am Mittwoch weitere Verhaftungen. So wurde der Schäfer Bernardo Riina festgenommen.

Der Mann, der wie Provenzano in den 70ern ist, war offenbar ein ganz persönlicher Freund und Bote des Mafiachefs. Überdies wurden zwei weitere Männer festgenommen. Indes sollen auf Provenzanos Zetteln noch eine ganze Reihe anderer Namen vermerkt sein, an die man bislang wohl nicht im Traum dachte. Wie es heißt, soll die Festnahme aufgrund einer Abhörmaßnahme erfolgt sein - sollte der vorsichtige Provenzano am Ende doch einmal zum Telefon gegriffen haben?

© SZ vom 13.04.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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