Scheidungen:Kurzes Glück

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Noch nie wurden so viele Ehen vor dem Gesetz beendet wie im Jahr 2003.

Von Heidrun Graupner

Diesen Rekord teilen sich 92 Paare in Deutschland: 2003 war ihr Hochzeitsjahr und ihr Scheidungsjahr, sie beeilten sich ganz außerordentlich, den Irrtum ihrer Ehe zu bereinigen.

Doch immer mehr Paare gelangen zu dieser Erkenntnis, die Zahl der Scheidungen hat vergangenes Jahr mit fast 214000 einen neuen Höchststand erreicht. Es waren 4,8 Prozent mehr als im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilt. Seit gut zehn Jahren nimmt die Zahl der Scheidungen in Deutschland beständig zu, mittlerweile wird mehr als jede dritte Ehe getrennt, die meisten nach sechs Jahren.

Besonders viel hatten Scheidungsrichter im Vorjahr in Hamburg, Berlin und Schleswig-Holstein zu tun, die niedrigsten Raten wiesen Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern auf. Doch Ostdeutsche lassen sich fast ebenso häufig scheiden wie Westdeutsche. Anfang der neunziger Jahre war das noch anders: Westdeutsche Scheidungsgesetze mit ihren finanziellen Folgen kitteten damals manch ostdeutsche Ehe.

Das seit 1977 geltende Scheidungsrecht, in dem es die Frage nach Schuld und Zerrüttung nicht mehr gibt, sei ein Grund für die immer höhere Zahl der Trennungen, sagt der Regensburger Familienrechtler Dieter Schwab. "Scheidung ist einfach geworden, man lebt ein Jahr getrennt und kann dann seiner Wege gehen." Auf der anderen Seite habe es mit dem alten Recht mehr Elend in den Ehen gegeben.

Warum lassen sich Paare häufiger scheiden? Familienwissenschaftler haben ein Bündel von Antworten auf diese Frage: Die "Normalfamilie" verliert an Bedeutung, die Zahl der Trauungen ist 2003 auf den tiefsten Stand seit 1945 gesunken. Viele Menschen suchen nach einem Traumpartner, ein Anspruch, der nicht gerade tolerant macht und sich selten erfüllt. Man trennt sich, weil man den eigenen Lebensentwurf nicht verwirklichen kann.

"Kinder sind die Leidtragenden"

Finanzielle Probleme, Arbeitslosigkeit, aber auch zu viel Berufsstress und unkalkulierbare Arbeitsbedingungen lassen die Ehebande immer häufiger bröckeln, 38 Prozent der Paare krachen sich über Berufsprobleme. Besonders gefährlich ist aber auch die Zeit nach der Geburt des ersten Kindes, die Unzufriedenheit mit der Ehe steigt dann rapide an.

Kinder werden kaum als Scheidungshindernis betrachtet, 170.260 wurden voriges Jahr Scheidungswaisen, 6,3 Prozent mehr als 2002. Zwar trennen sich drei von vier Paaren einvernehmlich, was für die Kinder die Situation einfacher macht, aber nur ein wenig.

Scheidung, neue Heirat oder Partnerschaft von Vater oder Mutter: Kinder seien die Leidtragenden, sagt Schwab. "Für sie bricht eine Welt zusammen. Eltern müssen wissen, was sie ihren Kindern antun."

© SZ vom 14. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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