Scheidung der Bischöfin Käßmann:Die Frau, die sich traut

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Margot Käßmann gilt als Vorzeige-Bischöfin, nun lässt sie sich scheiden. Klarheit ist ihr wohl wichtiger als die Karriere, die Schaden nehmen könnte.

Sie hat am Donnerstag einen Termin zwischen die anderen Termine geschoben, einen in eigener Sache. Zu ihrem tiefen Bedauern habe sie die Scheidung von ihrem Mann Eckhard eingereicht, berichtete sie dem Kirchensenat der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.

Dann hat Margot Käßmann, die Landesbischöfin, blass, aber gefasst weitergearbeitet. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) traf sich; am Freitag verlieh sie die Internet-Auszeichnung "Webfish", am Samstag wartete die Gemeinde Oldenstedt bei Uelzen, am Sonntag predigte sie über die ökumenische Bewegung.

Sie habe über eine Auszeit nachgedacht, sagen Vertraute, sich aber für ihre Art der Trauerarbeit entschieden und sich in die Pflicht gestürzt.

Margot Käßmann, die prominenteste Protestantin in Deutschland, lässt sich scheiden. Na und? 40 Prozent der Ehen in Deutschland werden geschieden, darunter ist manches evangelische Pastorenpaar.

Selbstbewusst protestantisches Lebensmodell

Die evangelische Kirche hält Ehe und Familie in Ehren, aber anders als in der katholischen Kirche ist die Ehe kein Sakrament, was es ihr auch theologisch leichter macht, das Scheitern einer Beziehung zu akzeptieren. Es gibt sogar schon eine geschiedene evangelische Bischöfin in Deutschland: Die nordelbische Bischöfin von Lübeck, Bärbel Wartenberg-Potter, ist zum zweiten Mal verheiratet. Margot Käßmann ist lediglich die erste Bischöfin, die sich im Amt scheiden lässt.

Doch hier zerbricht ein Bild, das die Öffentlichkeit von der Kirchenfrau hatte. Noch mehr als Wolfgang Huber, der Ratsvorsitzende der EKD, steht sie für ein selbstbewusst protestantisches Lebensmodell, das alte Werte und neue Lebensformen versöhnt.

Mit 23 Jahren hat das Paar geheiratet, das war 1981. Mit 25 fuhr die junge Mutter zur Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen nach Vancouver in Kanada - mit Kind, sollten die angegrauten Herren denken, was sie wollten. Vier Mädchen hat das Paar, heute sind sie zwischen 16 und 24 Jahre alt.

Die beiden Theologen teilten sich zeitweise eine Pfarrstelle im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis, dann machte die Frau Pfarrerin Karriere, wurde Generalsekretärin des evangelischen Kirchentags und mit 41 Jahren überraschend Bischöfin der eher konservativen hannoverschen Landeskirche. Schafft die das?, fragten Skeptiker. Eine Frau mit vier Kindern?

Ihren Gegenkandidaten mit fünf Kindern frage das keiner, entgegnete sie damals spitz und machte sich daran zu beweisen, dass das möglich sei: Bischöfin zu sein und eine große Familie zu haben. Ihr Mann war zwischenzeitlich Hausmann; seit drei Jahren ist er Pfarrer in der Landeskirche Kurhessen-Waldeck.

Nach außen sah es so aus, als würde den Käßmanns gelingen, worum Hunderttausende Paare kämpfen und woran viele scheitern. Die Sympathie, die Margot Käßmann bislang zuflog, kam auch daher, dass ihr Leben exemplarisch war.

Wer kann sagen, wann und woran eine Liebe stirbt? Das können oft nicht einmal die Eheleute selber, allen anderen bleibt ohnehin nur die Spekulation, einschließlich der von den Bild-am-Sonntag-Reportern heimgesuchten Schwiegermutter, die beklagt, ihr Sohn habe immer im Schatten seiner selbstbewussten Frau gestanden.

Margot und Eckhardt Käßmann sind sehr unterschiedliche Typen. Sie ist schnell, vorwärtsdrängend, ungeduldig; er ist ruhig, bedächtig, zurückhaltend. In den Veranstaltungen, wo sie als Ehrengast in der ersten Reihe saß, hockte er unauffällig in der dritten.

Lange haben sich offenbar die Unterschiede ergänzt, irgendwann aber, so heißt es nun, hatte sich das Paar auseinandergelebt, so banal, wie es einst Erich Kästner reimte: "Als sie einander sieben Jahre kannten, und man darf sagen, sie kannten sich gut / Da kam ihnen die Liebe abhanden, wie anderen Leuten ein Stock oder Hut." Als Margot Käßmann im vergangenen Jahr eine Brustkrebsoperation überstanden hatte und die Reporter fragten, wer ihr in der Zeit der Angst Mut gemacht hätte, sagte sie: meine Töchter.

Riss im Leben

Die Krankheit hat wohl die Entscheidung zur Trennung beschleunigt, und diese Entscheidung ist typisch für sie: "Ein Mann hätte vielleicht versucht, das Aufsehen zu vermeiden und irgendwie weiterzuleben", sagt eine Vertraute - "sie wollte Klarheit und Wahrhaftigkeit."

So hat nun das Vorzeigeleben der Bischöfin einen Riss: Ihre Ehe ist gescheitert. Was wird sie noch über den Wert von Ehe und Familie sagen können? In ihrem ersten Bischofsbericht im Jahr 2001 forderte sie ein kirchliches Scheidungsritual - werden solche Überlegungen jetzt gegen sie verwendet werden? Sie habe selber an Rücktritt gedacht und ihn auch angeboten, heißt es - die Bischöfin redet derzeit nicht über ihr Privatleben.

Doch die Mitglieder des Kirchensenats haben "einmütig" erklärt, "Margot Käßmann in dieser schwierigen Situation zur Seite zu stehen und sie in der bewährten Führung dieses Amtes mit allen Kräften zu unterstützen". Überhaupt ist überraschend, wie viel Verständnis und Unterstützung die Bischöfin erhält.

Es gibt wütende, verletzte und auch verletzende E-Mails und Briefe ans Kirchenamt, insgesamt überwiegen aber die tröstenden und unterstützenden Zuschriften.

Es gibt auch keinen nur halbwegs ernstzunehmenden Kirchenvertreter, der ihren Rücktritt gefordert hätte - wobei sich vielleicht die konservativen Kirchenleute, denen die Scheidung einer Bischöfin ein Graus sein muss, nur noch nicht abgestimmt haben. Unklar ist allerdings, ob Margot Käßmann noch Ratsvorsitzende der EKD werden kann.

Nachfolge Hubers in Gefahr

2003 kandidierte sie für das Amt und verlor gegen den Berliner Bischof Wolfgang Huber; da Huber aus Altersgründen nicht wiedergewählt werden kann, gilt sie seitdem als Anwärterin auf das Amt, das 2009 frei wird. Die Scheidung dürfte da ein Hindernis sein, wobei in zwei Jahren klarer sein wird, ob die Protestanten sich an einer Bischöfin stoßen, die sich von ihrem Mann trennt - oder ob sie Margot Käßmann gerade schätzen, weil sie die Brüche in ihrem Leben nicht verbirgt.

Am Samstagnachmittag im Heideort Oldenstadt bei Uelzen ist das Zweite zu spüren. Frauen aus der Gemeinde gehen auf die Bischöfin zu, sprechen ihr Mut zu, erzählen von ihrer Scheidung. "Es scheint so, dass ich in den schwierigen Situationen meines Lebens in dieser Region bin", sagt Margot Käßmann.

Vor neun Monaten hielt sie im Nachbarort ihre letzte Predigt vor der Krebsoperation. Damals sang sie mit der Gemeinde das Kirchenlied: "Bewahre uns Gott, behüte uns Gott, sei nahe in schweren Zeiten." Ob die Mitchristen das noch einmal mit ihr singen könnten, fragt sie. Und so singen sie gemeinsam.

© SZ vom 15.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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