Schaden in Millionenhöhe:Rücksichtslos im Cannabisrausch

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Der Verursacher des wohl teuersten Verkehrsunfalls in Deutschland ist wegen fahrlässiger Tötung zu 22 Monaten Haft verurteilt worden. Der Staatsanwaltschaft reicht das nicht aus: Sie will in Berufung gehen.

Johannes Nitschmann

Im Saal 101 des Gummersbacher Amtsgerichts klickten die Handschellen. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung in dem Strafprozess um den mutmaßlich teuersten Unfall der deutschen Verkehrsgeschichte ließ das Gericht am Mittwoch den Angeklagten Mustapha A. verhaften.

Mustapha A. wird in Handschellen aus dem Gerichtssaal geführt. (Foto: Foto: dpa)

Aufgrund der vorangegangenen Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung drohe bei dem 26-Jährigen Fluchtgefahr, entschieden die Richter. Die überraschte Verteidigung legte umgehend Beschwerde gegen den Haftbefehl ein.

Nach siebentägiger Beweisaufnahme war das erweiterte Schöffengericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs sowie des Fahrens ohne Führerschein und der Falschbeschuldigung überführt sei.

Brennend in die Tiefe gestürzt

Mustapha A. habe am 26. April vergangenen Jahres auf der A 4 (Köln-Olpe) einen BMW 323 Ci mit überhöhter Geschwindigkeit gesteuert. Mit dem "170 PS starken Geschoss" sei er mindestens 20 Stundenkilometer zu schnell gefahren. Bei einem Bremsvorgang in Höhe der Wiehltalbrücke sei er auf regennasser Fahrbahn ins Schleudern geraten und habe einen Tanklastzug gerammt.

Dabei sei der mit 30.000 Litern Diesel und Superbenzin beladene Sattelschlepper gegen das Brückengeländer gedrückt worden und brennend in die Tiefe gestürzt. Der 34-jährige LKW-Fahrer sei bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. An der viel befahrenen Wiehltalbrücke, die anschließend für sieben Monate gesperrt wurde, sei ein Schaden in "zweistelliger Millionenhöhe" entstanden, stellte das Gummersbacher Gericht fest.

Aufgrund medizinischer Gutachten gingen die Richter davon aus, dass sich der angeklagte Autofahrer nach starkem Cannabis-Konsum in "einem akuten Rauschzustand" befunden habe. Dies habe zu einem "Bündel von Fahrfehlern" geführt.

Alles falsch gemacht

Zudem habe der Angeklagte keinen Führerschein besessen, das Profil der Hinterreifen sei "extrem abgefahren" und der TÜV-Termin seines Fahrzeugs bereits einen Monat überschritten gewesen. "Eigentlich haben Sie nichts ausgelassen, was Sie hier noch hätten falsch machen können", sagte Amtsrichter Peter Sommer zu dem Angeklagten.

Statt Hilfe für den brennenden Laster zu alarmieren, habe Mustapha A. über Handy seinen Bruder zur Wiehltalbrücke bestellt. Dieser habe sich dort weisungsgemäß als Fahrer des BMW ausgegeben. Daraufhin wurde der Bruder festgenommen und saß sieben Wochen in U-Haft. "Kaltblütig" habe der Angeklagte die Justiz "über Monate an der Nase herumgeführt", erklärte Richter Sommer.

Mit seinem Urteil blieb das Gericht deutlich unter dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft, die für den "rücksichtslosen und egoistischen" Angeklagten drei Jahre und fünf Monate beantragt hatte. Staatsanwältin Susanne Berghoff kündigte an, sie wolle das in ihren Augen viele zu milde Urteil in einem Berufungsverfahren anfechten.

© SZ vom 15.09.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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