SARS:"Wir verstehen nicht, was passiert"

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Während Hongkong schon von der Überwindung der SARS-Epidemie spricht, vermeldet die Weltgesundheitsorganisation, dass sie die mysteriöse Lungenkrankheit noch immer nicht kontrollieren kann. Diese breitet sich scheinbar ungehindert weiter über den Globus aus.

An der lebensgefährlichen Krankheit sind in China nach offiziellen Angaben bereits mehr als 5000 Menschen erkrankt. Die Zahl der Toten stieg am Montag landesweit um zwölf auf 252, wie das Gesundheitsministerium in Peking berichtete. Allein dort werden aktuell 2304 Erkrankungen und 129 Todesfälle gemeldet.

In Taipeh bereiten sich Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde vor, 500 Anwohner eines Quarantäne-Wohnblocks zu interviewen. (Foto: AP)

Um den Behörden im unterentwickelten ländlichen Raum zu helfen, schickte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Experten in Dörfer mit Wanderarbeitern nahe Peking sowie nach Südchina. Ministerpräsident Wen Jiabao nannte die Situation "sehr ernst".

Bei einer Inspektionstour in der betroffenen Provinz Shanxi mahnte der Regierungschef, dass alle Patienten mit dem Schweren Akuten Atemwegssyndrom auf dem Lande kostenlos behandelt werden müssten. Dem Kampf gegen die weitere Verbreitung von SARS im ländlichen Raum müsse Vorrang eingeräumt werden.

Wie die Gesundheitsbehörden in Hongkong mitteilten, befinde sich die Rate der Neuinfektionen sowie Todesfälle auf niederem Niveau, womit dort der Höhepunkt der SARS-Epidemie überwunden scheint.

Virus mit sieben Siegeln

Der WHO-Vertreter Henk Bekedam warnte dagegen vor vorschnellen Schlüssen, dass der Höhepunkt überschritten sei. "Der gegenwärtige Trend der Epidemie und die Ansteckungsmuster werden wegen einer Reihe unbekannter Faktoren nicht ausreichend verstanden", sagte Bekedam. Er forderte erneut mehr Daten und Analysen der Behörden.

Beunruhigend sei vor allem die Tatsache, dass bei etwa der Hälfte der neuen Patienten kein Kontakt zu SARS-Erkrankten nachgewiesen werden konnte. "Das bedeutet, dass wir nicht verstehen, was passiert", sagte Bekedam. "Und je mehr wir nicht verstehen, um so schwieriger ist es, die Epidemie in den Griff zu bringen."

Der steilste Anstieg seit dem Ausbruch

Taiwan verzeichnet den steilsten Anstieg seit Ausbruch der Lungenkrankheit vor zwei Monaten. Am Montag wurden acht neue Todesfälle und 23 Neuerkrankungen gemeldet. Mittlerweile gibt es 27 SARS-Tote, erkrankt sind 207.

Unter den jüngsten Opfern ist ein Zahnarzt in der südlichen Stadt Kaohishong. Damit scheint sich die Befürchtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu bestätigen, dass SARS von der Hauptstadt Taipeh im Norden auf andere Landesteile überschwappt.

In den U-Bahnen installierten die Behörden Videokameras, um die Quarantänemaßnahmen zu überwachen; rund 8.000 Personen stehen unter Hausarrest.

Kleine Hoffnung durch finanzielle Hilfe und Diagnose-Test

Weltweit stieg die Zahl der SARS-Opfer am Montag auf 559. Die WHO erwägt eine Prüfung ihrer Reisewarnung für die chinesische Sonderzone. Experten der WHO äußerten die Vermutung, dass aus mehreren Landesteilen wichtige Gesundheitsdaten fehlen, weshalb die tatsächliche Lage weitaus schlimmer sein könnte als bislang bekannt.

Die Asiatische Entwicklungsbank veröffentlichte am Montag einen Plan, um den von SARS betroffenen Ländern bei der Bewältigung der ökonomischen Schäden zu helfen. Vorgesehen sind Darlehen und Kredite von 27 Millionen US-Dollar. Da die Gäste ausblieben, müssen unter anderem in Chinas größter Stadt Schanghai in dieser Woche vier große Hotels für mindestens drei Monate schließen, wie Mitarbeiter bekannt gaben.

Der Schweizer Pharmakonzern Hoffman-La Roche meldete unterdessen, bis Ende Juli einen Schnelltest zur Diagnose von SARS bereitzustellen. Franz Walt, Verwaltungsdirektor einer Niederlassung von Hoffman-La Roche in Singapur, sagte, bei dem Test werde genetisches Material, das allein bei dem Virus auftritt, aufgespürt und zur besseren Identifizierung in großen Mengen vervielfältigt. Das Ergebnis soll nach einer Stunde vorliegen.

Für seine Mitarbeiter an internationalen Flughäfen hat der Bundesgrenzschutz-Verband (BGV) bessere Schutzmaßnahmen gegen die Lungenkrankheit gefordert, weil diese als erste mit möglicherweise Infizierten in Kontakt kämen.

Mittlerweile wurden auch in Moskau zwei Krankenhäuser auf die Behandlung von SARS-Erkrankten vorbereitet. In der Vorwoche hatten die russischen Behörden nach mehreren Verdachtsfällen den Verkehr an der insgesamt fast 4000 Kilometer langen Grenze zu China eingeschränkt.

(sueddeutsche.de/AP/dpa/AFP)

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