"Sahara-Sommer":Zum Dahinschmelzen

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Spaß im Badesee und Angst vor Waldbränden: Rekordtemperaturen von mehr als 35 Grad heizen das Land auf - ein Überblick.

Von einem "Sahara-Sommer" sprechen die Metereologen, und jeder, der gestern das klimatisierte Büro kurz verließ, spürte: Sie haben Recht.

Die Deutschen schwitzen bei extremer Sommerhitze - ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, in den nächsten Tagen soll es sogar noch wärmer und schwüler werden; der heißeste Ort in Deutschland war gestern übrigens Windeck-Rosbach in Nordrhein-Westfalen.

Die Temperaturen um die 35 Grad werfen viele Fragen auf: Trocknen die Bäume aus? Leiden die Haustiere? Und müssen die Landwirte um ihre Ernte fürchten?

Die SZ beleuchtet die wichtigsten Aspekte der Sommerhitze.

Gute und böse Sonne

"Wir haben gerade natürlich tolle Bedingungen, um auf dem Mähdrescher ordentlich Stunden zu schrubben", sagt Bernd Eckhoff, Sprecher des Niedersächsischen Landvolkverbandes. In diesen Tagen kann von frühmorgens bis spätabends Gerste vom Halm geholt werden.

"Andererseits fürchten die Bauern um ihre Erträge bei Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben", sagt Eckhoff. Hier steht die Ernte erst im September an. Die bisherige Hitzeperiode gefährdet sie noch nicht.

Ein Gewitterschauer täte aber gut, auch dem Grünland, dem die Hitze einen Stich ins Bräunliche verleiht. Grundsätzlich haben Landwirte mit Hitze und Trockenheit weniger Probleme als mit Kälte und Feuchtigkeit. "Die Sonne", zitiert Eckhoff eine Bauernregel, "hat noch keinen von seinem Hof geschienen."

Der Strompreis ist heiß

Die hohen Temperaturen haben den Strompreis angeheizt. Betroffen sind Industrieunternehmen, die Strom kaufen müssen und keine länger laufenden Verträge haben. Haushaltskunden müssen aber nicht mit Preiserhöhungen rechnen.

Hier gelten Jahresverträge. Veränderungen stehen bei den meisten Versorgern erst zum Jahreswechsel an. Bleibt das hohe Preisniveau an den Börsen bestehen, werden die Stromkonzerne dies allerdings in ihre Kalkulationen auch für die Haushalte einbeziehen.

Die hohen Strompreise werden von Händlern mit wachsender Nachfrage begründet etwa wegen des steigenden Verbrauchs von Kühl- und Klimageräten. Dem standen geringere Stromeinspeisungen von Windkraftwerken gegenüber.

Außerdem sind in den vergangenen Wochen mehrere Kernkraftwerke vom Netz genommen worden, weil Revisionen anstehen. Niedrige Wasserstände hemmen die Stromgewinnung aus Wasserkraftwerken.

Ein Hoch auf Bruno

Als wäre es nicht schon heiß genug, hat sich Bruno nun auch noch Verstärkung geholt. Von Claus.

Die beiden sorgen im Duett für Wüstenklima. Vor allem aber sind sie ein schönes Beispiel für die Demokratie am deutschen Wetterhimmel: Hinter Bruno steckt Heizungsbaumeister Bruno Dahm und hinter Claus der Chef der Werbeagentur CMF, Claus Maria Faber.

Zufällig kommen beide aus Frankfurt und unabsichtlich quälen sie als Hochdruckgebiete ein ganzes Land. Als sich Faber das Hoch gekauft hat, versank Deutschland im Schnee. Bruno Dahm hat sein Hoch unter dem Christbaum vorgefunden.

Seine Tochter hat es beim Meteorologischen Institut der FU Berlin erstanden, dort gibt es Hochs und Tiefs.

Weder Rekordhoch noch Problembär konnte man damals voraussehen und nun kann sich Dahm nicht mal über seine Berühmtheit freuen: Die Hälfte der Belegschaft hat Urlaub genommen und der Chef steht nun selbst den ganzen Tag in der Hitze auf Baustellen.

Lauwarmes Nass

Auch wenn sich die Badeseen teils auf mehr als 25 Grad erwärmt haben, kann man weiter unbedenklich in die nicht mehr ganz so kühlen Gewässer eintauchen. Die Wasserqualität hat durch die hohen Temperaturen nicht gelitten.

Die Landesgesundheitsämter, die deutschlandweit mehr als 400 Badegewässer regelmäßig auf Bakterien und Schadstoffe kontrollieren, konnten keine neuen Überschreitungen der Grenzwerte feststellen. Dagegen beklagen sich die Binnenschiffer über sinkende Pegelstände.

Der Wasserstand am Rhein fällt pro Tag um bis zu zehn Zentimeter, mittlerweile können schwer beladene Schiffe den Fluss nicht mehr befahren. Allerdings ist die Situation nicht so schlimm wie im Sommer 2003, weil es in diesem Jahr bis Anfang Juni kräftige Niederschläge gegeben hat.

Durstlöscher gefragt

Mit den steigenden Temperaturen wächst auch der Durst: Der Getränkeabsatz in Deutschland hat seit Anfang Juni deutlich zugenommen. Am stärksten gefragt sind nach Händlerangaben alkoholfreie Getränke wie Mineralwasser oder Apfelsaftschorle.

Die Nachfrage nach den Durstlöschern sei um beinahe ein Drittel gestiegen. Auch die Bierhersteller melden ein deutliches Plus, vor allem auch durch die WM. Besonders beliebt sei derzeit Weizenbier.

Ob der Sommer 2006 auch einen Rekord für die Getränkeindustrie bringt, wird beim Verband der Deutschen Mineralbrunnen derzeit aber noch bezweifelt. "In den ersten vier kalten Monaten des Jahres wurde ein dickes Minus eingefahren, das wir bisher noch nicht ganz wett machen konnten", sagte eine Verbandssprecherin.

Früchtebecher für Affen

Hunde und Katzen haben ein Problem: Sie können nicht schwitzen. Um sich abzukühlen, müssen sie hecheln.

Langhaarige Hunde sollten deshalb ihre Hippie-Frisur aufgeben und sich scheren lassen, rät die Bundestierärztekammer. In den Zoos bleiben die Tiere trotz Hitze relativ cool.

"Die Kaninchen liegen faul unter dem Sonnenschirm, und die Affen kühlen sich mit Eisbomben ab", sagt Simone Hagenmeyer vom Zoo Hannover. Spaß haben dort auch die Pinguine, für sie wurde extra eine Sprühdusche gebaut.

Immer im Dienst

Steigen die Temperaturen, fallen die Hüllen. Jedoch nicht bei der Polizei.

Die Hose bleibt lang, die Mütze auf dem Kopf. Beamte sollten als solche erkennbar sein, heißt es beim Innenministerium NRW. Bei der Deutschen Bank gibt es keine Regeln, jeder Mitarbeiter sei stilvoll genug, nicht Badelatschen zu tragen, so Sprecher Patrik Fischer.

Ein Recht auf Flipflops gibt es nicht, sagt die Arbeitsrechtlerin Jana De Martino. Arbeitgeber könnten von ihrem Direktionsrecht Gebrauch machen, darunter falle auch die Kleidung.

Brennende Büsche

Die höchste Waldbrandgefahr herrscht in Brandenburg. In dem regenarmen Land gibt es große Waldflächen, die zu 70 Prozent aus Nadelhölzern bestehen und auf sandigen, trockenen Böden wachsen.

Die EU-Kommission hat Brandenburg deshalb mit Korsika, Südfrankreich und Südspanien europaweit in die höchste Waldbrandrisikostufe eingeordnet.

Im vergangenen Jahr wurden bundesweit 495 Feuer registriert, davon allein 185 in der Region um Berlin. In diesem Jahr brannte es bereits 120 Mal.

Erste Hilfe für Bäume

Die Stadtverwaltung Nürnberg fordert die Bürger auf, sich der dürstenden Bäume im Stadtgebiet anzunehmen und sie zu gießen, "notfalls per Gießkanne oder Eimer".

Jeder Baum braucht mindestens 200 Liter Wasser täglich. Auch die Feuerwehr soll deshalb bewässern. Zum Wassersparen im Garten hat dagegen der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland aufgerufen.

Biologe Jürgen Gola rät, erst dann zur Gießkanne zu greifen, wenn der Boden zehn Zentimeter tief ausgetrocknet ist.

In der Hitze der Nacht

Eigentlich mag der menschliche Körper Hitze - bei 30 Grad fühlt er sich am wohlsten. Das gilt aber nur in absoluter Ruhe und Liegestuhlhaltung.

Deshalb ist der wichtigste medizinische Tipp bei Temperaturen kurz unter der Fieber-Grenze: Die Siesta auf die Zeit von 11 bis 17 Uhr ausdehnen, im Schatten parken und alle körperlichen Aktivitäten in die Hitze der Nacht oder die frühen Morgenstunden verlegen.

Bei mehr als 20 Grad in der Nacht ist der Schlaf unruhiger und weniger erholsam als sonst. Viele Menschen schlafen besser, wenn sie abends noch Sport getrieben haben.

Zudem hilft es, tagsüber Fenster und Läden geschlossen zu halten und in den frühen Morgenstunden ausführlich zu lüften, wenn es am kühlsten ist. Ventilatoren bringen etwas Erfrischung.

Bei den gegenwärtigen subtropischen Temperaturen sollte mehr als die empfohlenen eineinhalb Liter täglich getrunken werden, wobei der Bedarf individuell unterschiedlich ist.

Gefährliches Ozon

Deutschland liegt unter einer Ozonglocke. Höchstwerte wurden bereits in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gemessen. "Diese Spitzenwerte werden heutzutage aber viel seltener erreicht als noch Anfang der neunziger Jahre", sagt Meteorologe Arno Graff vom Umweltbundesamt in Dessau.

"Das ist eine Folge der verschiedenen Maßnahmen zur Emissionsvermeidung." Ozon ist ein giftiges, unsichtbares Gas, das in mehr als 20 Kilometern Höhe vor schädlicher UV-Strahlung schützt. In Bodennähe dagegen gefährdet Ozon Gesundheit und Umwelt.

Das Gas reizt Augen und Schleimhäute und verursacht Schäden in den Atemwegen. Das bodennahe Ozon entsteht bei Sonneneinstrahlung aus Luftschadstoffen, die vor allem aus Abgasen stammen.

© SZ vom 20.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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