Rom:Millionen Steine des Anstoßes

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Für modernere Straßen sollen die Pflastersteine dem Asphalt weichen - sehr zum Ärger vieler Bürger. Sie entdecken plötzlich ihre Liebe zu den "Sampietrini" und widmen ihnen sogar eine Juwelen-Kollektion.

Stefan Ulrich

Traditionsbewusste Römer sprechen von einem "Massaker" und klagen, die Opfer gingen in die Millionen. Tatsächlich hat die Stadtverwaltung in diesem Jahr bereits mehr als zwei Millionen "Sampietrini" aus dem Boden gerissen. Und mit den "kleinen Steinen von Sankt Peter" verschwindet Stück für Stück ein Teil des alten Roms.

Zum Kicken geeignet, für Autos eher nicht: Die traditionellen Pflastersteine in Rom. (Foto: Foto: dpa)

Stattdessen bedeckt nun schnöder Teer die von Platanen gesäumten Verkehrsbahnen entlang des Tibers oder so altehrwürdige Innenstadtstraßen wie die Via delle Botteghe Oscure, die Straße der dunklen Geschäfte.

"Allein der Gedanke, dass Rom in eine glatte Asphaltfläche verwandelt wird, zerreißt mir das Herz", klagt Valentina Cinelli, die den Pflastersteinen eine aufwändige Internetseite widmet ( www.sampietrino.it). Die 34 Jahre alte Werbegrafikerin will den Sampietrini damit ein Denkmal setzen.

Das Kopfsteinpflaster prägt den Charakter der Stadt

Sie sei eine "echte Römerin" und mit den kleinen Würfeln groß geworden, sagt sie. Ob sie nun zu Fuß, mit der Vespa oder dem Auto unterwegs war, stets habe sie die zwölf mal zwölf Zentimeter großen Kuben aus Vulkangestein unter sich gespürt. Das Kopfsteinpflaster dürfe nicht verschwinden, es präge den Charakter der ewigen Stadt.

So wie Valentina Cinelli geht es vielen Römern. Im Stadtrat musste sich der linke Bürgermeister Walter Veltroni schon viele Anwürfe gefallen lassen. "Die Sampietrini sind kein lästiges Zubehör, sondern ein monumentaler Wert, der geschützt werden muss", kritisierten etwa zwei Räte der rechten Alleanza Nazionale. Im Fernsehen werden den Steinen eigene Diskussionssendungen gewidmet, und ein Juwelier hat ihnen sogar eine ganze Kollektion nachgebildet.

Tatsächlich haben die dunklen, glatten und glänzenden Sampietrini eine lange Geschichte. Sie wurden bereits 1585 von Papst Sixtus V. zur Pflasterung des Petersplatzes benutzt. Später bedeckten sie die wichtigen Verkehrsstraßen, weil Karren und Kutschen so leicht darüber glitten. Auch konnten mit den haltbaren Steinen aus den Albaner Bergen gut die Unebenheiten der hügeligen Stadt ausgeglichen werden. Die Zwischenräume ließen das Regenwasser im Boden versickern, und schöne Muster konnte man auch noch legen. Selbst ihr Straßenbelag sei ein Kunstwerk, rühmten sich die Römer.

Beliebt, aber für den Verkehr ungeeignet

All diese Argumente führen die Verteidiger der Peters-Steine auch heute an. Bürgermeister Veltroni hält dagegen, das Kopfsteinpflaster sei für den Verkehr ungeeignet. Es werde bei Regen schlüpfrig, dämpfe Stöße kaum ab, lasse die alten Palazzi mit ihren Fresken erzittern und sei teuer im Unterhalt. Immerhin hat Veltroni versprochen, die Steine nicht verschwinden zu lassen. Sie werden eingelagert und für neue Fußgängerzonen verwendet. Beispiele dafür gibt es um das Pantheon oder an der Spanischen Treppe.

Wahre Römer wie Valentina Cinelli lassen sich indes nicht besänftigen. Sie wollen ihre Sampietrini auch auf Verkehrsstraßen nicht missen, selbst wenn sie auf ihren Vespas auch noch so durchgerüttelt werden. Und die Argumente der Stadtverwaltung lässt Valentina ohnehin nicht gelten."Das Kopfsteinpflaster hält viel länger als der miserable Asphalt, den sie in Rom benützen", meint die junge Frau. Sie argwöhnt, dass es in Wirklichkeit nur darum geht, ein paar Straßenbaufirmen lukrative Aufträge zu verschaffen.

© SZ vom 19.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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