Reportage:"Ich wünschte, ich wäre gestorben"

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Der 17-jährige Uzair aus dem kaschmirischen Balakot überlebte das Erdbeben in der Schule - anders als viele Klassenkameraden. Als er nach Hause kam, folgt der nächste Schock.

Uzair Mohammed Qureshi liest gerade in seinem Chemie-Buch, als die Mauern der Schule zu schwanken beginnen. Sekunden später stürzt das Dach ein. So beginnt am Samstag die Erdbebenkatastrophe im pakistanischen Teil von Kaschmir, die vielen tausend Menschen das Leben kostet.

Helfer bergen Leichen aus dem Trümmern einer Schule in Balakot (Foto: Foto: AP)

Zusammen mit dem 17 Jahre alten Qureshi sind am Samstagmorgen 15 bis 20 Mitschüler im Raum. "Mein Lehrer hatte nach seinem Unterricht gerade das Klassenzimmer verlassen und ich las ein Buch, als wir plötzlich eine Erschütterung spürten", berichtet der junge Mann. "Dann kam ein weiterer Schlag, und wir liefen zur Tür, um unser Leben zu retten. Da stürzte plötzlich das Dach ein."

"Minutenlang glaubte ich, dass ich sterben würde", sagt der Schüler. "Aber ich kam wieder zu Bewusstsein, schaute mich um und sah einen Freund neben mir liegen." Trotz schwerer Schnittverletzungen an den Händen kann sich Qureshi durch ein Loch in der Wand ins Freie retten - zusammen mit seinem Freund, den er hinter sich herzieht. Er glaube, dass die anderen in seiner Klasse getötet oder schwerverletzt worden seien.

Aber der Schock ist damit für Qureshi noch nicht zu Ende. Er läuft nach Hause und findet nur einen Haufen von Trümmern vor. Seine Eltern und seine Großmutter wurden in dem einstürzenden Haus erschlagen. "Einige Leute aus unserer Gegend halfen mir, die Leichen meiner Mutter und meiner Großmutter aus den Trümmern zu ziehen, aber mein Vater steckt noch darunter", sagt der 17-Jährige völlig verzweifelt. "Ich wünschte, ich wäre gestorben und mein Vater hätte überlebt."

Am Tag nach der Katastrophe sitzt Qureshi auf den Trümmern der Schule. Er hat immer noch seine Schuluniform an, weil er sonst alles verloren hat, und ruft: "Kann mir denn niemand helfen, meine Klassenkameraden zu bergen?"

In Balakot, einer Stadt von 30.000 Einwohnern rund 100 Kilometer nördlich von Islamabad, herrscht tiefe Resignation. Überall wurden Häuser zerstört, auch der zentrale Bazar liegt in Trümmern. Unter den Toten sind hunderte von Schülern. In einer viergeschossigen Wirtschaftsfachschule wurden vermutlich 250 Schüler und Lehrer verschüttet.

Auf den Straßen liegen Tote und Verletzte, die von Überlebenden geborgen wurden. Die Leichen von vier Kindern wurden mit einem Stück Blech bedeckt. Ihr Cousin Saqib Swati hat keine Laken gefunden, um die kleinen toten Körper zu verhüllen. "Wir haben auch nichts, um sie zu beerdigen."

Von Soldaten oder anderen Helfer von außerhalb ist nichts zu sehen. "Niemand ist gekommen, um uns zu helfen", klagt der 19 Jahre alte Faizan Farooq, Schüler einer Wirtschaftsfachschule. Unmittelbar nach dem Erdbeben habe er noch gehört, wie Kinder unter den Trümmern schrieen. "Jetzt gibt es kein Anzeichen für Leben mehr."

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