Rekord für Blauen Wittelsbacher:Stein der Superlative

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Für 16,4 Millionen Pfund ersteigert ein Londoner Juwelier den Blauen Wittelsbacher - der Diamant zierte einst die bayerische Königskrone.

Wolfgang Koydl, London

Soll keiner sagen, dass Leute mit kleinerer Brieftasche nicht auch auf ihre Kosten kommen, wenn das Nobel-Auktionshaus Christie's in London edle Juwelen versteigert. Für unter 2000 Pfund beispielsweise hätte man bei der jüngsten Auktion im Stammhaus an der King Street schon ein paar Manschettenknöpfe erwerben können. Und der kleine Art Deco-Wecker von Cartier war für 8000 Pfund geradezu ein Schnäppchen. Ideal für Stahlmagnaten oder Aluminium-Oligarchen war diese Auktion, die auf die Schnelle ein paar Weihnachtsgeschenke brauchen. Und unüberhörbar hingen draußen an den Telefonen auch ein paar gelangweilte Damen, die sich einfach selbst einmal wieder etwas Gutes gönnen wollten. Christie's - der Shoppingkanal für die gehobenen Stände.

Der Blaue Wittelsbacher ist mit einem Gewicht von 35,56 Karat der viertgrößte blaue Diamant der Welt. (Foto: Foto: Christies, oh)

"Noch nie dagewesen"

Doch all die Uhren, Ringe, Broschen und Diademe waren letztlich nicht mehr als ein Vorspiel, billiger Tand im Vergleich zu Los 212. Zu einem Schätzwert von vier Millionen Pfund wurde einer der seltensten Diamanten der Welt aufgerufen - der Blaue Wittelsbacher, der einst die bayerische Königskrone zierte. Sieben Minuten später hatte er für 16,4 Millionen Pfund den Besitzer gewechselt und war an den Londoner Nobel-Juwelier Lawrence Graff gegangen, der am Telefon geboten hatte.

Kurz zuvor war der nahöstlich wirkende Mann in Freizeitkluft, der im Saal bislang mitgehalten hatte, ausgestiegen. "Sind Sie sicher", hatte Francois Curiel, Europachef von Christie's und Auktionator, noch gefragt, der ganze Saal hielt währenddessen gespannt den Atem an. Der Auktionator wartete kaum das Nicken des Bieters ab, bevor er den Hammer senkte.

Christie's mag mittlerweile zwar dem französischen Multimillionär Francois Pinault gehören, mithin dem Angehörigen einer Nation, die man auf der Insel gemeinhin für emotional und zur Übertreibung neigend hält. Doch trotz der neuen Besitzverhältnisse hält man im Londoner Firmensitz an der Tradition klassischen britischen Understatements fest. Ein Unternehmen, das die russischen Kronjuwelen und den Schmuck der Madame du Barry versteigert hat, verfällt nicht so leicht in Verzückungen. Doch beim Wittelsbacher-Diamanten verpuffte jegliche Selbstbeherrschung. Es fielen Wörter wie "beispiellos", "einzigartig" und "noch nie dagewesen"; und Juwelenexperte Curiel sprach gar von der "Erfüllung eines Lebenstraumes".

Der Blaue Wittelsbacher ist in der Tat ein Stein der Superlative. Blaue Diamanten sind ohnehin rar, und mit einem Gewicht von 35,56 Karat ist er der viertgrößte seiner Art in der Welt. Größer sind nur der Copenhagen Blue, der Tereschko und - der wohl berühmteste Stein - der Hope-Diamant, der in der Smithsonian Institution in Washington aufbewahrt wird. Aus der Entfernung sieht er ein wenig unscheinbar aus, der Wittelsbacher. Aber wahrscheinlich muss man ihn in den Händen halten, im Licht hin und her drehen und wenden, damit er die Sonnenstrahlen einfängt und tausendfach wieder zurück gibt.

Im Gegensatz zu anderen Diamanten ranken sich zwar keine blutrünstigen Legenden um die bayerische Pretiose; dafür kann sie auf einen lange und noble Geschichte zurückblicken. Außerdem wabern, wie es sich für ein historisches Schmuckstück gehört, ein paar Geheimnisse um ihn. Wann und wie der Diamant nach Europa kam, ist unbekannt. Sicher ist, dass er aus Indien stammt, dem einzigen Land, in dem bis ins 17. Jahrhundert hinein Diamanten gefunden wurden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie Bayern den Stein selbst einmal versteigern wollte.

Irgendwie fand er seinen Weg nach Spanien. Dort ist er zum ersten Mal verbürgt, als König Philipp IV. ihn seiner Tochter, der Infantin Margarita Teresa, für die Aussteuer schenkt. Der königliche Papa war bekannt dafür, dass ihm kein Stein zu teuer war für sein geliebtes Töchterchen.

Der spanische König Philipp IV. schenkte ihn einst seiner Tochter Maria Theresia, die auf diesem Gemälde von Diego Velazquez den berühmten Stein am Ausschnitt trägt. (Foto: Foto: Kunsthistorisches Museum Wien)

Kopie in der Bayernkrone

Mit der Mitgift gelangte der Funkelstein nach Wien, als die spanische Prinzessin 1666 den österreichischen Kaiser Leopold I. ehelichte. Dort entsann man sich gut hundert Jahre später seiner wieder, als eine Habsburger-Prinzessin ins benachbarte Ausland verheiratet wurde: Erzherzogin Marie Amalia knüpfte 1772 mit dem bayerischen Kronprinzen Karl Albrecht den Bund fürs Leben und brachte als Unterpfand des Glückes den Klunker nach München.

Dort wusste man das Geschenk so sehr zu schätzen, dass man den Diamanten bei der Gründung des Königreiches Baiern - anfangs noch bieder mit einem "i" statt einem "y" - in die brandneue Königskrone einbaute. Nach Revolution und Abschaffung der Monarchie versuchten die notleidenden Wittelsbacher 1931 den Stein schon einmal bei Christie's versteigern zu lassen. Doch in den klammen Depressionszeiten fand sich kein Interessent.

Der Stein verschwand in einer geheimen Schmuckschatulle und tauchte erst 1964 kurz wieder auf - in einer Privatsammlung, wie es neutral hieß. Dahinter versteckte sich - so wollten es jedenfalls Eingeweihte wissen - offenkundig der deutsche Kaufhauskönig Helmut Horten. Ob es seine Witwe ist, die den Stein nun versteigern ließ, wird von der Familie weder bestätigt noch dementiert. "Kein Kommentar" hieß es dazu nur.

Nach München in den bayerischen Kronschatz wird der Diamant nun also nicht heimkehren. In der Krone wird weiterhin eine wertlose Kopie aus Glas seinen Platz einnehmen. Immerhin dürfte der Stein nicht erneut in einer Privatsammlung weggeschlossen werden. Falls es sich die Staatsregierung doch noch anders überlegt, bräuchte sie nur einen Käufer zum Juwelierhaus Graff zu schicken.

Dann freilich dürfte die Sache geringfügig teurer werden.

© SZ vom 11.12.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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