Reisen nach der Air-Berlin-Pleite:Zur Not mit dem Nachtbus

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Roland Koberg, 50, Dramaturg.

Roland Koberg, 50, Dramaturg: Ich fliege mindestens einmal die Woche von Berlin nach Wien und wieder zurück. Meine Frau und meine zwei Kinder leben in Deutschland, mein Arbeitsplatz liegt seit drei Jahren in Österreich. Mein Arbeitgeber stellt zwar ein kleines Budget für Heimflüge bereit, alles was darüber hinausgeht, muss ich selbst bezahlen - ich bin also auf günstige Flüge angewiesen. Solange es Air Berlin gab, war ich wie ein Glücksspieler mit leuchtenden Augen unterwegs, buchte Monate im Voraus und lernte alle Tricks, wie man einen guten Sitzplatz nah am Ausgang bekommt, auch wenn man keinen XXL-Seat aufbucht. Jetzt ist es lange nicht mehr so spannend und vor allem deutlich teurer. Ganz zu schweigen davon, dass sich auch die Mehrkosten multiplizieren, wenn ich meine Kinder mal mit nach Wien nehme. Suche ich heute bei der Lufthansa oder selbst bei Easyjet nach Angeboten, sind die in der Regel 30 Prozent teurer als vor der Insolvenz. Flüge zu Schnäppchenpreisen büßt man mit unwürdigen Aufstehzeiten und schmachvollen Laufwegen wie jenen am alten Flughafen Schönefeld. Ich bin schon so tief gesunken, dass ich demnächst sogar mit Ryanair von Schönefeld ins eine gute Stunde von Wien entfernte Bratislava fliege, nur damit ich mein Reisebudget nicht überstrapaziere. Gut, ich gehe nicht daran zugrunde, aber eine finanzielle Belastung ist es schon; ich gebe etwa 150 Euro mehr aus im Monat. Meine Familie sehe ich genauso oft wie sonst; so abhängig, dass das in Gefahr geriete, mache ich mich von keinem Flugplan - dann lieber Overnight-Bus. Ich bin immer gerne ab Tegel mit Air Berlin geflogen, trotz Terminal C, irgendwann kannte ich die Stewards und Stewardessen an Bord, das war schön. Meine Liebe zu Air Berlin ist aber auch schon vor der Insolvenz abgekühlt: Irgendwann war der Kaffee an Bord nicht mehr umsonst, es kam immer häufiger zu Ausfällen und Verspätungen, die Lounges für Vielflieger wurden geschlossen und bei der Hotline hob niemand mehr ab. Der Selbstabbau war nicht zu übersehen.

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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