Rechtsradikalismus:Eine Kleinstadt schlägt zurück

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Nazi-Pöbeleien im Fußballverein, eine nächtliche Hetzjagd und zwei Männer, die ins Gefängnis müssen: Wie ausländerfeindlich ist Bützow?

Arne Boecker

Nein, er sei "weder döner- noch türkenfeindlich" lässt der Angeklagte Michael W. über seinen Anwalt beteuern. Der 24-Jährige hat acht Vorstrafen wegen Körperverletzung, sein Kopf ist kahlrasiert und tattooumkränzt, er trägt "Thor-Steinar"-Klamotten. Während der Erklärung seines Anwalts grinst er die Zuschauer an.

Am Montag verurteilte das Amtsgericht Güstrow sechs junge Gewalttäter wegen Landfriedensbruchs. (Foto: Foto: dpa)

Dort sitzen junge Männer, auf deren Jacken und Kappen "Rassenkrieg" steht, "Weiße Wölfe" oder "Rechte Musik Fraktion". Wie dreist die Neonazis auftreten, zeigte sich nach einem der Verhandlungstage. Einer von ihnen schlug unweit des Güstrower Amtsgerichts einem Passanten mehrmals ins Gesicht. Zur Begründung reichte ihm dessen "linkes Aussehen".

In der Nacht zum 25. August 2007 beendeten Krawalle das Gänsemarkt-Fest, das Bützow jedes Jahr feiert. Wegen gemeinschaftlichen Landfriedensbruchs verurteilte das Amtsgericht Güstrow am Montag sechs junge Männer im Alter von 18 bis 24 Jahren. Am schwersten wurde Michael W. bestraft. Weil das Amtsgericht Güstrow vorangegangene Delikte einrechnete, muss W. für zwei Jahre und acht Monate ins Gefängnis.

Drei Mittäter bekamen Bewährungsstrafen bis zu einem Jahr, zwei wurden gemäß Jugendstrafrecht verwarnt und müssen gemeinnützige Arbeit leisten. Schon während der Verhandlung hatte das Gericht einen ausländerfeindlichen Hintergrund der Taten verneint, obwohl die jungen Männer mehrheitlich zur rechtsextremistischen Szene zählen.

Was ist in jener Nacht passiert? Ein Mob jagte durch die Kleinstadt Bützow in Mecklenburg-Vorpommern, griff Menschen an, verwüstete einen pakistanischen Imbiss und einen türkischen Getränkestand. Dessen Besitzer rettete sich mit knapper Not in ein Auto, das die alkoholisierten Angreifer zu demolieren versuchten.

Die Kopfstärke des Mobs konnte nicht genau ermittelt werden. Die Angaben schwanken zwischen 20 und 70 Personen. Die Krawallmacher, von denen einige Nazi-Parolen krakeelten, richteten einen Schaden in Höhe von etwa 35.000 Euro an. Hinterher geriet die Polizei wegen ihres späten und zögerlichen Eingreifens massiv in die Kritik. Ein Revier- und ein Dienstgruppenleiter wurden von ihren Aufgaben entbunden.

Auf der nächsten Seite: "Ja, wir haben Probleme mit Rechtsradikalen."

Die Gewaltnacht hat jene Bützower Bürger aufgeschreckt, die man der Mitte der Gesellschaft zurechnet. Ihnen ist egal, dass Bützow keine ausländerfeindlichen Ausschreitungen erlebt hat, sondern Ausschreitungen von Ausländerfeinden, die auch Deutsche trafen.

"Ja, wir haben Probleme mit Rechtsextremisten", sagt der parteilose Bürgermeister Lothar Stroppe. Michael Flenker vom Verfassungsschutz des Landes Mecklenburg-Vorpommern bestätigt dies: "Es gibt in Bützow eine Gruppe Jugendlicher, die rechtsextremistisches Gedankengut vertreten." Eine feste, organisierte Neonazi-Szene gebe es aber nicht.

Bützower Vereine und Organisationen haben ein "Bündnis für Demokratie und Toleranz" geschmiedet. Die Koordination hat Pastorin Kathrin Oxen übernommen. "Aufwachen, hinsehen, handeln", benennt sie das Motto. Bützower Schulen suchen Referenten zum Thema Rechtsextremismus, die Bützower Justizvollzugsanstalt versucht ihre Mitarbeiter mit Fortbildungen zu sensibilisieren. Kathrin Oxen freut sich über die "große Einigkeit", mit der die Stadt den Neonazis entgegentritt.

Wie tief Rechtsextremisten in die mecklenburgische Gesellschaft eingesickert sind, belegt allerdings das Beispiel des TSV Bützow, dem fast jeder Zehnte der etwa 8000 Bürger angehört. Mit einigen Fußballern der 2.Mannschaft gibt es schon länger Ärger, weil sie mit Nazi-Sprüchen rumpöbeln. Zwei Kicker zählen zu den jungen Männern, die das Amtsgericht Güstrow am Montag verurteilt hat. "Wir lassen uns so etwas nicht mehr bieten", sagt der TSV-Vorsitzende Klaus Bittmann.

Der Vorstand hat allen Mitgliedern eine Erklärung zur Unterschrift vorlegen lassen. Einer der Punkte brandmarkt "gewalttätiges, extremistisches oder rassistisches Verhalten" als "vereinsschädigend". Ein anderer ächtet Trikots und T-Shirts "mit rechtsextremistischer Symbolik". Dies zielt auf die Marke "Thor Steinar", die als eine Art Neonazi-Uniform gilt. "Wir haben lange gebraucht, alle Unterschriften zusammenzubekommen", klagt TSV-Chef Bittmann.

Elisabeth Siebert leitet das Regionale Zentrum für demokratische Kultur in Bad Doberan. "Wir freuen uns sehr, dass in Bützow nicht weggeguckt wird", sagt sie. Gerade der Tatsache, dass im TSV Bützow so vehement über das Für und Wider der Demokratie-Erklärung gestritten wurde, kann Elisabeth Siebert viel abgewinnen. "Diskussionen sind wertvoll. Schließlich werden diese Probleme gern geleugnet." Fünf Regionale Zentren hat die Landesregierung einrichten lassen, nachdem die NPD in den Schweriner Landtag eingezogen war. Dahinter steht die Erkenntnis, dass die Vereinsvorsitzenden und Bürgermeister dringend Kontakte und Informationen brauchen, um die Neonazis zurückzudrängen.

© SZ vom 4.3.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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