Die schwedische Kulturministerin Lena Adelsohn Liljeroth lächelt, als sie dem schwarzen Kopf eine Gabel vor den Mund hält. Im Hintergrund der Veranstaltung im Stockholmer Museum für Moderne Kunst zücken Menschen fröhlich ihre Kameras und Handys, um die Szene festzuhalten. Vor der Ministerin liegt eine Torte in Form des Torsos einer nackten schwarzen Frau. Liljeroth hat die makabre Ehre, diese karikaturhafte Nachbildung einer Afrikanerin zu beschneiden, sie darf am Unterleib den ersten Schnitt tun.
Unter dem Tisch versteckt sich der Künstler selbst, der - schwarz angemalt - den Kopf des Kuchens ergänzt. Bei jedem Schnitt schreit er schmerzvoll auf, offenbar sehr zur Freude der teilnehmenden Personen.
Menschenverachtender könnte die Veranstaltung kaum sein - so zumindest der Eindruck, den das kurze Youtube-Video hinterlässt. Die Bilder sind so provokativ-abartig, dass einem beim Betrachten schlecht werden könnte. Das Urteil des Verbands der Afro-Schweden fällt deshalb eindeutig aus: "Das war ein rassistisches Spektakel", sagte ein Sprecher der englischsprachigen schwedischen Zeitung The Local. "Unserer Ansicht nach trägt das dazu bei, das Rassismus-Problem lächerlich zu machen."
Man fragt sich: Was, bitteschön, hat die schwedische Kulturministerin Lena Adelsohn Liljeroth dazu veranlasst, sich für so eine Veranstaltung herzugeben?
Aktion soll auf Genitalverstümmelung aufmerksam machen
Die Idee hinter der Aktion im Stockholmer Museum ist allerdings so schlecht nicht: Die Performance anlässlich des "World Art Days" sollte auf das Problem der Genitalverstümmelung von Mädchen in Afrika aufmerksam machen. Und Kunst darf ja auch mal provozieren, so das Argument der Ministerin: "Man hat mich eingeladen, um am World Art Day über die Freiheit der Kunst zu sprechen - und das Recht, provokativ zu sein", erklärte sie. "Dann bat man mich, den Kuchen anzuschneiden."
Provokativ war die Aktion ohne Zweifel, der Künstler lieferte genug Munition für die Vorwürfe der Afro-Schweden. Der "Kuchen" ist die stereotype Nachbildung des Torsos einer Schwarzafrikanerin. Die Darstellung erinnert an die als "Hottentotten-Venus" bekannt gewordene Sarah Baartman, die im 19. Jahrhundert wie ein Tier vorgeführt und noch als Tote zur Schau gestellt wurde. Die Schminke des Künstlers ist ein Musterbeispiel für Blackface, einer zutiefst rassistischen Theatertradition. Auch diese entstand zu den Hochzeiten des Kolonialismus, damit sich das weiße Publikum ein Bild des unzivilisierten Schwarzen machen könnte.
Die Heftigkeit der Reaktionen traf die schwedische Ministerin Liljeroth dennoch überraschend. Schnell machten die Bilder und das Video der Veranstaltung in sozialen Netzwerken die Runde, Rücktrittsforderungen kamen auf. Unklar ist noch, ob eine Bombendrohung an diesem Dienstag gegen das Stockholmer Museum in Zusammenhang mit der Ausstellungseröffnung steht. Das Museum wurde evakuiert, derzeit ist einem Polizeisprecher zufolge ein Entschärfungskommando im Einsatz.
Liljeroth zeigte Verständnis für die Kritik: "Ich hatte keine Chance, den Kuchen im Vorfeld zu inspizieren", rechtfertigte sie sich. "Sollten sich Menschen durch die Aktion beleidigt gefühlt haben, dann entschuldige ich mich dafür. Es ist nun Aufgabe des Künstlers zu erklären, was er mit seiner Arbeit bewirken wollte." Der Kunstkritiker Dan Jonsson der Schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter nimmt die Ministerin in Schutz: Möglicherweise habe ihr der Künstler gar keine Wahl gelassen. Hätte sie sich geweigert, den Kuchen anzuschneiden, hätte man ihr vorgeworfen, die künstlerische Freiheit nicht zu respektieren. Nun laute der Vorwurf eben Rassismus.
Provokation als einziges Performance-Ziel?
Bei dem Künstler handelt es sich natürlich nicht um einen Rassisten. Der in Stockholm geborene Makode Aj Linde, der auf seiner Facebook-Seite sehr viel lobende Kommentare für seine Aktion erhält, ist selbst Schwarzer. In einem Interview mit Al-Dschasira macht er deutlich, dass er sich gehörig missverstanden fühlt.
Bereits seit Jahren beschäftige er sich in seiner Kunst mit Stereotypen und Einstellungen gegenüber Schwarzen nach dem Ende des Kolonialismus. Zur Darstellung von Genitalverstümmelung einen Kuchen zu wählen, sei ihm bei dem Thema "naheliegend" erschienen, erklärt er. Schließlich müsse man "den Kuchen anschneiden".
Möglich. Möglich aber auch, dass seine Performance lediglich ein Ziel hatte: Provokation. Weiße, gebildete Menschen stehen um eine stereotypisierte, nackte, schwarze Frau herum, trinken Sekt, essen Kuchen und lächeln, während die Afrikanerin grausam verstümmelt wird. Fast wie in einem Ritual schneiden die Teilnehmer nach und nach Stücke von dem "Kuchen" ab, keiner in dem Video traut sich, die absurde Situation anzusprechen, alle grinsen. Ein Zeichen von Verunsicherung?
Die - aus Sicht des Verbands der Afro-Schweden missglückte - Kunstaktion sei eine Folge der Sprachlosigkeit der Schweden, wenn es um Rassismus geht: "Schweden hält sich für ein Land, in dem Rassismus kein Problem ist", erklärt der Sprecher. Tatsächlich aber werde das Problem totgeschwiegen, eine Debatte finde nicht statt.
Das hat sich seit der Aktion im Stockholmer Museum nun gehörig geändert.