Rainier III. von Monaco:Der Fuchs auf dem Felsen

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Märchenhafte Ehe, Liebe zum Zirkus, politisches und kaufmännisches Geschick - anders als seine Kinder hatte der Fürst keine Skandale. Er hinterlässt einen Zwergstaat, der größer und reicher ist als je zuvor.

Von Gerd Kröncke

Rainier hat bis zuletzt ausgehalten, am Ende gab es in Europa niemanden, der länger geherrscht hätte, nicht einmal die Queen. Als er alt wurde, schwächer mit den Jahren und öfter auch krank, hat er gleichwohl nie daran gedacht, die Bürde des Fürstseins ganz abzugeben.

Die Liebe seines Lebens: Fürst Rainier tanzt 1956 mit Grace Kelly. (Foto: Foto: AP)

"Was Gott geschaffen hat, kann nur von Gott aufgelöst werden", hieß es bei Hofe, denn schließlich verstehen sich die Grimaldis als ein Fürstenhaus von Gottes Gnaden. Wohl hatte Rainier in den letzten Jahren seinem Sohn, der nun als Albert II. der 34. Fürst von Monaco sein wird, zunehmend mehr Verantwortung zugestanden.

Aber der alte Fürst hatte sich nie dazu durchringen können, zugunsten seines Sohnes abzudanken. Vielleicht wäre das anders gewesen, hätte der nun mit seinen 47 Jahren auch nicht mehr so junge Nachfolger endlich die Frau fürs Leben gefunden gehabt.

Rainier hinterlässt ein imponierendes Lebenswerk. Sein Fürstentum ist nicht frei von Krisen gewesen, aber mit Schläue und Geschick hat sie der Fürst stets gemeistert. Rainiers große Leistung war gewiss, dass er die Abhängigkeit vom Casino, von dem seit seiner Gründung vor anderthalb Jahrhunderten seine Sippe und ihre Günstlinge gelebt haben, beendet hat.

Als er 1949 den Thron erbte, war die Herrlichkeit dahin, das Casino und damit auch der kleine Staat standen vor der Pleite. Heute ist Monaco größer denn je.

Einen ganzen Stadtteil haben die Monegassen dem Meer abgerungen. Wo es nun noch an Fläche fehlt, muss in die Tiefe gebaut werden, der Bahnhof liegt unter der Erde.

An der Seite de Gaulles

Dieser Staat, ein Winzling im Süden Europas - nur der Vatikanstaat ist kleiner -, ist eigentlich unzeitgemäß und altmodisch, "dieses Mini-Fürstentum mit seinen Villen, seinen Gärten und seinen Rokoko-Hotels", wie es der Autor Frédéric Laurent in einem Buch, "Der Fürst auf seinem Felsen", beschrieben hat.

Aber Rainier hat ihn wie ein Großunternehmen geführt, er hat Handel und Banken ins Land geholt, später auch Pharmaindustrie und solche Betriebe, die weder viel Platz noch zu viele Menschen brauchen. Damit wird das Geld verdient - und mit dem Tourismus.

Rainier hat sein Land gut auf das neue Jahrhundert vorbereitet, was man ihm zu Beginn nicht unbedingt zugetraut hatte. Denn der Fürst gehörte zu jener Generation, die vom Zweiten Weltkrieg geprägt wurde.

Sein Großvater und Vorgänger auf dem Fürstenthron, Louis II., hatte sich mehr als nötig mit den deutschen Besetzern arrangiert, hatte antijüdische Gesetze erlassen, um unerwünschte Exilanten fern zu halten. Die patriotische Haltung des jungen Rainier blieb dagegen ohne Flecken.

Blick auf den Felsen des Fürstentums Monaco. (Foto: Foto: dpa)

Er stand auf der richtigen Seite, kämpfte in den Reihen von Charles de Gaulle in französischer Uniform, landete mit den Alliierten in Südfrankreich und erlebte das Kriegsende in Berlin. Das hat ihm das Croix de Guerre eingebracht, eine Tapferkeitsauszeichnung, die etwa dem deutschen Eisernen Kreuz entspricht.

Als de Gaulle später Präsident in Frankreich war, hat Rainier III. seine größte Krise mit Paris, dem der Zwergstaat in einer Mischung von Abhängigkeit und Souveränität verbunden ist, durchgestanden. Das war 1962, als Frankreich drohte, dem Fürstentum den Strom abzudrehen, weil der Fürst sich widerspenstig zeigte.

Vorwurf der Geldwäsche

Die jüngsten Auseinandersetzungen reichen fast in die Gegenwart. Im Jahr 2000 hatte eine französische Parlamentarier-Kommission Monaco bescheinigt, dass es seine Rolle als Steuerparadies übertreibe, der Vorwurf der Geldwäsche beschmutzte den Ruf des Fürstentums. Dieser Vorwurf kann jederzeit aktualisiert werden.

Damals hatte Rainier sich gewehrt und als Drohung anklingen lassen, demnächst selbst seinen Premierminister auszusuchen. Denn der Regierungschef wird noch immer von Paris bestimmt - die französische Regierung legt dem Souverän eine Dreier-Liste vor, aus der er wählen muss. Auch der Generalstaatsanwalt und der Polizeichef werden nach alter Übereinkunft von Frankreich benannt.

Rainier hat es verstanden, sich mit Frankreich zu arrangieren. Am besten kam er merkwürdigerweise mit François Mitterrand klar, wobei nicht ganz ausgeschlossen ist, dass dies mehr der schönen Fürstentochter Caroline zu verdanken war, die ihren Vater begleitete. Andererseits sah sich Mitterrand selbst als eine Art Monarch.

Dem amtierenden Präsidenten Jacques Chirac hat Rainier im Jahre 2002 einen neuen Vertrag abgetrotzt, der den alten von 1918 ersetzte und dem Fürstentum mehr Unabhängigkeit vom großen Nachbarn zugesteht.

Schon seit den neunziger Jahren ist der kleine Staat Mitglied der UN, und gelegentlich hatte der Erbprinz auch eine weitgehend unbeachtete Rede in New York halten dürfen. Um eine Mitgliedschaft im Europarat hatte sich Monaco lange vergebens bemüht. Der Antrag wurde schon 1998 gestellt, aber bis voriges Jahr auf Eis gelegt, weil das Fürstentum zu abhängig von Frankreich sei.

Von Gaunerei zu Gottes Gnaden

Dass es sich über die Jahrhunderte behaupten konnte, ist verwunderlich genug für Außenstehende, für die Monegassen weniger, denn das Fürstentum der Grimaldis ist, so will es die Überlieferung, von Gottes Gnaden.

Was als Gaunerei begann, verklärte sich im Laufe der Jahrhunderte: Der erste Grimaldi, Francesco, ein adliger Abenteurer aus Genua, eroberte zusammen mit ein paar Kumpanen vor mehr als 700 Jahren die Burg auf dem Felsen. Sie hatten an jenem 8. Januar 1297 als Mönche verkleidet an das Tor gepocht.

Francesco war nach heutigen Maßstäben ein Terrorist, von seinen Zeitgenossen wurde er "der Tückische" genannt. Aber keiner der Fürsten, die nach ihm kamen, hat sich dessen geschämt. Das Wappen der Grimaldis zeigt zwei Mönche mit gezogenem Schwert, und das Motto beschwört Gottes Hilfe: "Deo Juvante".

In seiner Regierungszeit hat Rainier sein Land wieder wohlhabend gemacht. Es war immer ein bisschen Familienbetrieb, und der Mann an der Spitze war der Patron.

Einmal hatte er sich, in einem Gespräch mit dem französischen Fernsehsender TF1, zu der Bemerkung hinreißen lassen: "Monaco ist eine Geldpumpe." Das war zwar schon Anfang der neunziger Jahre, ist aber immer so geblieben. Kein Monarch in Europa hat sich so unmittelbar für die Staatsgeschäfte interessiert, wobei die Betonung auf Geschäfte lag, die auch immer seinem eigenen Wohl dienten.

Geld bringende Briefmarken

Manches färbte auch auf persönliche Vorlieben ab. Ihm gehörte eine bedeutende Zahl erlesener Automobile, die er eine Zeit lang sammelte wie andere Menschen Briefmarken. Die sammelte er auch und brachte es zu einer gewissen Vollständigkeit.

Seine Kollektion gilt als eine der bedeutendsten der Welt, allenfalls die englische Königin ist besser bestückt. So ist es folgerichtig, dass Briefmarken noch ihren wichtigen Platz im Bruttosozialprodukt des Fürstentums haben. Die wenigsten werden auf Briefe geklebt, die meisten zieren die Alben der Sammler und bringen damit Geld in die Staatskasse.

Mehr übrigens als das Casino, das im Haushalt nur noch wenige Prozent ausmacht. Auch das ist dem Fürsten recht, "ich wollte immer weg von diesem Spielhöllen-Image", hat er in einem seiner seltenen Interviews gesagt.

Zu den vielen Ehrungen, die Rainier erfahren hat, zählt neben dem Großkreuz der französischen Ehrenlegion und dem des Malteserordens auch ein Ehrenpreis eines internationalen Verbandes der Verleger von Briefmarkenkatalogen.

Untypisch diskret

Während das persönliche Vermögen des Serenissimus ein Staatsgeheimnis blieb - die Schätzung von zwei Milliarden Euro lässt eine Marge nach oben und unten -, wusste man zumindest, dass er bis zuletzt drei Prozent an der Société des bains de mer hielt.

Jener Gesellschaft, der einst der Reeder Aristoteles Onassis vorstand und mit der der Grieche den kleinen Staat Monaco vor dem Bankrott rettete, bis er von Rainier ausgebootet wurde.

Man möchte glauben, dass der Fürst später im Leben weniger Wert auf seinen ganz persönlichen Reichtum legte. Dafür spräche, dass er sich für die Zirkus-Welt begeisterte, für jene Atmosphäre und für Leistungen, die für sich genommen zweckfrei sind und manchmal nur schön. Davon ließ sich der alte Mann gern verzaubern.

Im Gegensatz zu seinen Kindern hatte er den leichtgewichtigen Blättern keinen Anlass gegeben, über sein Privatleben zu spekulieren, jedenfalls nicht mehr in seinen späteren Jahren. Es ist die Generation der Großmütter, die den Namen Rainiers nicht trennen kann von dem der Gracia Patricia.

Die hatte als Fürstin die Massen begeistert und war einer der Medienstars, als die Medien ihre Stars noch verehrten. Als Schauspielerin wäre sie längst vergessen, hätte sie nicht an der Seite von Gary Cooper im schönsten aller Western gespielt, "Zwölf Uhr mittags".

Ihren Tod bei einer Autofahrt im September 1982 hatte Rainier nie ganz verwunden, und wenn es weitere Frauen in seinem Leben gab, dann ist er und sind sie für ihre Zeit untypisch diskret geblieben. "Die Wunde ihres Verschwindens hat sich nie ganz geschlossen", hat Rainier einmal gestanden. Ihr Tod, "hat mich sicher verhärtet".

Das Unglück der Töchter

Der reiche Mann hat viel gelitten am Unglück seiner Töchter. Die haben geheiratet und ließen sich scheiden und heirateten wieder, und Skandale waren ihnen nicht fremd.

Bisweilen war es für den alternden Fürsten komplizierter, der Familie vorzustehen als dem Klein-Staat. Nun wird sein Sohn der Fürst sein, ein unverheirateter Albert II. Dem Alten lag es auf der Seele, dass der Nachfolger keine Frau ins Haus brachte. Darauf hat er vergeblich gewartet.

Er hatte durchaus gewürdigt, dass sein Sohn "alle Qualitäten hat, eines Tages der nächste Fürst zu sein", aber die wichtigste Voraussetzung, dieses noch zu seinen Lebzeiten zu werden, wäre ein Stammhalter gewesen.

Andererseits erkannte der alte Fuchs auf dem Felsen als "einzigen Fehler" seines Sohnes die Schwäche, nicht Nein sagen zu können. "Denn in diesem Metier muss man auch etwas verweigern können."

Manchmal muss er einsam gewesen sein. Der Fürst, der immer großen Wert auf Loyalität legte, hat nicht viele Freunde gehabt. Seinem Sohn hat er den Rat auf den Weg gegeben: "Die wahren Freunde sind sehr selten; du erkennst sie daran, dass sie keine Vergünstigungen von dir erwarten."

Nun ist er tot. Sein Begräbnis wird wieder eine unbezahlbare Werbung für das Fürstentum sein - und ein gutes Geschäft.

© SZ vom 7.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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