Putzfrauen-Mord:"Geht mal rüber an die Wand"

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Im Prozess um den Mord an drei Putzfrauen aus dem nordrhein-westfälischen Telgte haben die beiden Hauptangeklagten am Donnerstag umfassende Geständnisse abgelegt. Der mutmaßliche Schütze schilderte im Prozess die Tat.

Christina Sticht

(SZ vom 27.06.2003) - Der 21 Jahre alte Angeklagte schilderte vor dem Landgericht Münster, wie er die ahnungslosen Frauen in der Mordnacht ansprach - "und dann habe ich geschossen."

Timocin Ö. und sein mutmaßliche Auftraggeber Hüseyin D. im Gericht (in der Vergrößerung links: Ali D.) (Foto: dpa)

Auch der als Auftraggeber angeklagte 31 Jahre alte Ehemann eines der Opfer gestand. Beide entschuldigten sich bei den Hinterbliebenen. Am 28. Januar 2003 waren die Frauen im Alter von 30, 34 und 39 Jahren nach Ende ihrer Arbeit in einem Fitness-Studio durch Kopfschüsse kaltblütig getötet worden.

Im Saal 23 des Landgerichts Münster wird es still, als Timucin Ö. sein Geständnis formuliert. In sachlichen Worten schildert der 21-Jährige die Tat. Groß ist der Andrang beim Prozessauftakt vor der 11.Großen Strafkammer. Neben den Angehörigen der Opfer sitzen Verwandte der Angeklagten. Die Atmosphäre ist gereizt.

Ein Mord für 5000 Euro

Die drei Angeklagten sitzen mit gesenkten Köpfen auf der Anklagebank: Der mutmaßliche Todesschütze Timucin Ö., der Anstifter Hüseyin D., Ehemann der getöteten Ayten D., sowie Ali D., angeklagt wegen Beihilfe. Der 31-jährige Hüseyin D. hat laut Anklageschrift Timucin Ö. 5000 Euro bezahlt, damit dieser D.'s Ehefrau Ayten umbringe.

Die Ehefrau soll Hüseyin D.'s Plänen im Weg gestanden haben, in den Drogenhandel und die Prostitution einzusteigen. HüseyinD. ist ein schmächtiger Mann mit ovaler Brille. Vor Gericht lässt er durch seinen Anwalt eine Erklärung verlesen, in der er die Tat in vollem Umfang gesteht und sich bei den Angehörigen der beiden anderen Opfer entschuldigt.

Gerlinde M. und Kornelia M., Mutter von vier Kindern, wurden ebenfalls erschossen, weil dies die Aufklärung der Tat erschweren sollte. Sie hatten gemeinsam mit AytenD. als Putzfrauen im Fitness-Studio gearbeitet.

Ein Freund "mit einem Problem"

Timucin Ö. sagt aus, sein Freund Hüseyin D. sei "mit einem Problem" zu ihm gekommen. Er wolle sich scheiden lassen, könne dies aber nicht, weil er dann "von der Frauenseite" umgebracht werde. Hüseyin D. habe gesagt, "sie muss weg. Dafür brauche ich deine Hilfe." Ö. habe dann viel herum telefoniert, um nach einem Killer zu suchen, aber: "Klar, das wollte keiner machen."

Irgendwann habe er Angst bekommen, weil er zu viel wusste. Dann habe er zu D. gesagt: "Ich werd's probieren." "Du musst alle Frauen wegmachen", habe Hüseyin D. zu ihm gesagt. Am Abend des 24.Januar sei er zum Fitness-Studio gefahren, habe die Frauen beobachtet, dann aber habe ihn der Mut verlassen. D. habe ihm jedoch Druck gemacht.

Am 28.Januar schließlich habe er die Frauen abgepasst. Als sie aus dem Studio kamen, habe er gesagt: "Leute, geht mal rüber an die Wand." Timucin Ö. macht eine Pause. Sein Anwalt flüstert ihm ins Ohr. "Dann hab' ich alle erschossen", sagt er. Im Saal ist es still.

Der Ehemann der getöteten Kornelia M., der als Nebenkläger auftritt, hat die Hände vors Gesicht geschlagen. Auf Fragen des Vorsitzenden Richters Franz Berding will Ö. nicht mehr antworten. Zuvor war der Antrag seiner Verteidiger abgelehnt worden, den Prozess vor einer Jugendstrafkammer fortzusetzen.

Die Verteidiger hatten argumentiert, Ö. sei nicht am 26.Dezember 1981 geboren, sondern erst am 26.Dezember 1982, also ein Jahr später. Das Gericht lehnte den Antrag der Verteidiger ab, da sowohl im Geburtsregister von Ö.'s Heimatstadt Izmir als auch beim Standesamt 1981 als Geburtsjahr registriert war.

Für den Mordprozess sind insgesamt zwölf Verhandlungstage angesetzt. Im weiteren Verlauf wird die Rolle des Angeklagten Ali D. zu klären sein.

Der 25-Jährige war am 13.Februar zur Polizei gegangen und hatte sie auf die Spur von Hüseyin D. und Timucin Ö. gebracht. Die Staatsanwaltschaft wirft Ali D. vor, an der Planung der Tat beteiligt gewesen zu sein.

Nach Auffassung seiner Verteidiger hat sich Ali D. jedoch nur des Nichtanzeigens einer geplanten Straftat schuldig gemacht. Das Urteil im Dreifachmord von Telgte wird für den 1. August erwartet.

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