Prozessauftakt:"Das war eine Untat, es tut mir Leid"

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In einem bühnenreifen Auftritt hat Showstar Freddy Quinn vor dem Hamburger Landgericht gestanden, dass er 900.000 Euro Steuern hinterzogen hat.

Vor Prozessbeginn präsentierte er sein Bundesverdienstkreuz, das er sich ans Revers geheftet hatte. "Das werde ich ja wahrscheinlich abgeben müssen, wenn ich ein verurteilter Verbrecher bin", sagt er zu den wartenden Journalisten, relaviert aber seine Tat: "Ich habe ja nicht jemanden umgebracht."

Geständnis unter Tränen: Den Staatsanwalt konnte Showstar Freddy Quinn damit nicht beeindrucken. (Foto: Foto: ddp)

Als er dem Richter schildern sollte, wie es zu der Steuerhinterziehung kam, brach er schon nach wenigen Worten in Tränen aus. Sein Anwalt legt schützend den Arm um ihn. "Bisher durfte ich öffentlich immer von meinen guten Taten erzählen", sagt der gebürtige Wiener. Jetzt müsse er von seinen Fehlern berichten, und das falle ihm sehr schwer. "Ich habe Lampenfieber wie in 44 Jahren auf der Bühne noch nie." Er stehe zum ersten Mal vor Gericht, habe sich nie etwas zu Schulden kommen lassen.

Quinn sagte weiter, er habe sich nie um seine finanziellen Angelegenheiten gekümmert. "Das war ein Fehler." Er wolle nun für die Konsequenzen gerade stehen, betonte Quinn. Die offenen Beträge habe er inzwischen beglichen.

Wenig Verständnis bei der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, seinen Hauptwohnsitz in der Schweiz gehabt zu haben, hauptsächlich habe er aber bei seiner Lebensgefährtin Lilli Blessmann, 86, in Hamburg gelebt. Auf diese Weise soll Quinn dem deutschen Fiskus von 1998 bis 2002 etwa 1,8 Millionen Mark vorenthalten haben.

Quinn könnte im Falle eines Schuldspruchs zu einer hohen Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Haft verurteilt werden. Kurz vor Prozessbeginn hatte der Oberstaatsanwalt durchblicken lassen, dass er kein Verständnis für rührselige Geschichten aufbringen will: "Mir kommen jetzt aber nicht die Tränen."

Als Grund für den Daueraufenthalt in Deutschland nannte der mit einem dunkelblauen Samtjackett bekleidete Angeklagte eine Hüftkrankheit seiner Lebensgefährtin. Mit der Hamburgerin ist Quinn eigenen Angaben zufolge seit 48 Jahren verlobt. "Ich konnte diese Frau nicht im Stich lassen."

"Zu Finanzen habe ich überhaupt keine Relation"

Er habe seine Steuerpflicht in Deutschland geahnt, den Gedanken aber verdrängt, räumte der Sänger und Schauspieler ein. "Zu Finanzen und Geld habe ich überhaupt keine Relation." Auch Blessmann, gegen die ebenfalls ermittelt wird, habe keine Ahnung von Steuern gehabt. Erst vor drei Jahren hatte sich der Schlagerstar in der Schweiz abgemeldet, obwohl sein Hauptwohnsitz schon seit 1996 nach eigenen Angaben in Hamburg bei seiner Partnerin war.

Steuerangelegenheiten seien nun mal abstrakt, versuchte Quinns Anwalt beim Richter um Verständnis zu werben. Der Sänger sagte, Finanzdinge seien ihm schon immer "ein Greuel" gewesen. Noch heute lässt er sich seine Gagen gern in bar auszahlen, wie er es aus seiner Zirkusvergangenheit gewohnt ist. Arglos gab er zu, schon 1959 zu Beginn seiner Karriere nichts von Steuern gewusst zu haben. Der Staatsanwalt riet ihm, diese Aussage noch einmal mit seinem Anwalt zu besprechen.

Zwar musste Quinn beim Finanzamt zusätzlich Steuern in Höhe von weiteren rund 900.000 Euro seit 1990 nachzahlen, diese Vorwürfe sind aber strafrechtlich gesehen verjährt. Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt. Dann könnte auch ein Urteil fallen.

Quinns Karriere begann 1951 in einer Hamburger Hafenkneipe, seither hat der Künstler mehr als 60 Millionen Tonträger verkauft. Hits wie "Junge, komm bald wieder" oder "Heimweh" machten ihn bekannt. Der international erfolgreiche Sänger feierte auch als Schauspieler und im Fernsehen Erfolge. Erst im Jahr 2002 gestand Freddy Quinn seine langjährige Beziehung zu Lilly Blessmann.

© sueddeutsche.de/AP/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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