Prozess in Itzehoe:"Goggos" Morde

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Ein unscheinbarer 21-Jähriger soll ein Mädchen erwürgt und einen Autofahrer erschossen haben. Nun begann der Prozess gegen den Lehrling, der sich offenbar auch Gewaltvideos angesehen hat.

Mit gesenktem Blick lauscht der Stefan B. der Anklageschrift. In seinem blauen Kapuzenpulli und den Turnschuhen wirkt der 21-Jährige eher wie ein unbeholfener Jugendlicher und nicht wie ein kaltblütiger Killer. Doch seit diesem Donnerstag muss sich der rotblonde Mann aus Wesselburen (Kreis Dithmarschen) wegen zweifachen Mordes vor dem Landgericht Itzehoe verantworten.

Ein mutmaßlicher Doppelmörder: der Angeklagte Stefan B. (Foto: Foto: dpa)

Zum einen soll er im Sommer vergangenen Jahres einen zufällig ausgewählten Autofahrer auf einer Landstraße nahe seines Heimatortes abgebremst und erschossen haben.

Zum anderen wird ihm vorgeworfen, im August 2004 die ebenfalls aus Wesselburen stammende damals 15 Jahre alte Schülerin Sandra erwürgt zu haben. Laut Staatsanwaltschaft legte der junge Arbeiter bereits ein Geständnis ab.

Auch Sandras Mutter ist im Gerichtssaal anwesend, als Staatsanwaltschaft Joachim Bestmann die Schrift vorliest. Danach soll der unscheinbare Angeklagte die Schülerin auf ihrem nächtlichen Heimweg unter einem Vorwand in sein Auto gelockt und dort erwürgt haben, indem er "minutenlang zudrückte".

Sandras stark verweste Leiche war erst Wochen später am Ufer eines Speicherbeckens im Kreis Nordfriesland entdeckt worden. Ihre dunkelhaarige Mutter wischt sich Tränen aus den Augen, während der Staatsanwalt bereits den zweiten Fall schildert, der sich im August vergangenen Jahres ereignete.

Aus Frust gemordet

Damals kehrte der nach Aussagen seiner Anwältin "viel gehänselte und in der zweiten Reihe stehende" junge Mann von einem Treffen seines Autoclubs zurück, wo er angeblich mit der geringen PS-Leistung seines Wagens aufgezogen worden war. Seine Wut habe sich gesteigert, als er von einem Fahrzeug überholt wurde.

Um seinen Frust abzubauen, stoppte er laut Anklage einen anderen Wagen und forderte den darin sitzenden Fahrer zunächst auf, sein Portemonnaie herauszugeben. Als dieser sich weigerte, tötete er den 41-jährigen Erntehelfer mit fünf Kopfschüssen.

"Es hätte jeden treffen können", sagte der Staatsanwalt nach dem Prozessauftakt zu den Schüssen auf der Landstraße. Unklar sei bislang, ob für die "heimtückischen" Taten das Erwachsenen- oder das Jugendstrafrecht mit einer maximalen Strafzeit von zehn Jahren gelte. "Das macht den Prozess besonders außergewöhnlich", erklärte Bestmann.

Respekt mit schnellen Autos

So sei der mutmaßliche Täter beim ersten Mord noch als Jugendlicher anzusehen, während er bei der zweiten Tat bereits 21 Jahre alt war. Je nach dem bei welchem Fall der Schwerpunkt liege, werde einheitlich nach einem Recht entschieden. Nach welchem, sei derzeit noch völlig offen.

Zu den Vorwürfen will sich der Angeklagte erst am kommenden Montag äußern. Gegenstand des Prozesses sollen laut seiner Anwältin Astrid Denecke auch die Gewaltvideos sein, die sich "Goggo", wie seine Bekannten ihn nannten, wohl regelmäßig anschaute. Nach ihrer Einschätzung hat der unscheinbare ehemalige Bäckerlehrling den Entwicklungsstand eines 16- oder 17-Jährigen, der sich mit schnellen Autos Respekt verschaffen wollte. "Wenn er mehr Anerkennung bekommen hätte, wäre das alles nicht passiert."

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