Prozess in der Türkei:Post von Marco W.

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Marco W. hat im Gefängnis in Antalya einen Brief geschrieben - und zwar an das britische Mädchen, das er sexuell belästigt haben soll. Der Anwalt des Schülers und türkische Medien interpretieren den Inhalt unterschiedlich.

Der seit vier Monaten in der Türkei inhaftierte 17-jährige Marco aus Uelzen hat der 13-jährigen Charlotte einen Brief geschrieben. Dieses Schreiben könne aber nicht als Entschuldigung bewertet werden, wie es türkische Medien getan hatten, sagte Marcos Anwalt, Nikolaus Walther.

"Darin wird weder ein Fehlverhalten eingeräumt, noch eine Entschuldigung ausgesprochen." In dem Brief, der der Presse-Agentur dpa vorliegt, bittet Marco das Mädchen, seine Anzeige zurückzuziehen. Marco wird sexueller Missbrauch der Britin vorgeworfen.

Er könne nicht verstehen, warum sie ihn in diese Situation gebracht habe, schreibt Marco an die 13-Jährige. Schließlich wisse Charlotte, was zwischen ihnen passiert ist. Marco wolle lediglich in sein altes Leben zurück und könne nicht verstehen, was er falsch gemacht hat.

Der Schüler hatte den Brief Ende Juni in dem türkischen Gefängnis auf Deutsch geschrieben und an seine Mutter gesendet. Eine Freundin hatte den Text ins Englische übersetzt und an Charlotte geschickt.

Der Anwalt des Mädchens nahm Marco jede Hoffnung, dass der Brief etwas bewirken könnte. "Charlotte wird keinesfalls auf den Brief antworten", sagte Ömer Aycan aus Antalya der Berliner Tageszeitung B.Z.. "Der Brief ist vollkommen unangebracht. Charlotte soll durch diesen Brief ihre Anzeige zurückziehen, damit sich die Sache in Luft auflöst? So etwas empfinde ich als gottlos."

Psychisch stark angegriffen

Marcos Anwalt berichtete unterdessen, dass der Junge nach der weiterhin verweigerten Haftentlassung psychisch stark angegriffen ist. "Die Haftbedingungen und die enttäuschten Hoffnungen setzen dem Jungen immens zu", betonte Walther. Der 17-Jährige sei während der Haft abgemagert und nach der Entscheidung des Gerichts in Antalya am vergangenen Mittwoch in ein tiefes Loch gefallen.

Die Hoffnung auf eine Freilassung vor dem Fortsetzungstermin am 6. September werde zwar nicht aufgegeben, sei aber sehr gering. Die andauernde Untersuchungshaft war mit einem Rechtshilfeersuchen an Großbritannien begründet worden. Ziel dieses Ersuchens ist es, Charlotte befragen zu können.

Marco hatte die 13-jährige Charlotte während eines Osterurlaubs im Badeort Side kennengelernt. Nach einem Discoabend mit anderen Jugendlichen waren sie im Hotelzimmer des Mädchens gelandet. Die Initiative zu den Zärtlichkeiten sei von dem Mädchen ausgegangen, das sich als 15-Jährige ausgegeben habe, sagte Marco. Am folgenden Tag wurde Marco unter dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs festgenommen, nachdem die Mutter des Mädchen Anzeige erstattet hatte.

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