Problembär abgeschossen:Brunos Jäger erhalten Morddrohungen

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Kaum zum Abschuss freigegeben, ist Braunbär JJ1 auch schon tot. Beim Bayerischen Jagdverband gehen nun Beschimpfungen und Morddrohungen ein.

Braunbär "Bruno" ist tot. Der seit Wochen im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet umherstreunende Bär sei in der Nacht zu Montag in der Nähe des Spitzingseegebiets im Landkreis Miesbach von Jägern erschossen worden.

Eine der letzten Aufnahmen von JJ1. (Foto: Foto: dpa)

Ein Sprecher des bayerischen Umweltministeriums sagte, der Bär sei um 4.50 Uhr nahe der Rotwand bei Bayrischzell geschossen worden.

Der bayerische Bärenbeauftragte Manfred Wölfl bestätigte: "Der Schuss ist gefallen. Der Bär ist tot."

Nach Angaben des Ministeriums erlegte ein Team aus "jagdkundigen Personen" das Tier.

Morddrohungen gegen Jäger

Nach der Nachricht vom Abschuss des Bären gingen beim Landesjagdverband Bayern in Feldkirchen Morddrohungen und wüste Beschimpfungen ein.

Einem Verbandssprecher zufolge bekamen die Jäger schon Dutzende E-Mails aus ganz Deutschland. Darin würden die zunächst noch unbekannten Schützen beispielsweise als Mörder beschimpft, die das gleiche Schicksal ereilen solle wie den Bären.

Der Präsident des Landesjagdverbandes Bayern, Jürgen Vocke, hatte sich zuvor zurückhaltend zum Abschuss von Braunbär "Bruno" geäußert: "Einerseits bedauern wir die Tötung des Bären, auf der anderen Seite sind wir froh, dass keine Personenschäden zu beklagen waren."

Die Einschätzung der Bärenexperten und die Erfahrungen der letzten Tage hätten gezeigt, dass der Braunbär absolut keine Scheu vor den Menschen zeigte und somit potenziell gefährlich war.

"Ich hoffe, der nächste Bär, der sich in Bayern zeigt, ist nicht mit so vielen Problemen verbunden und zeigt die natürliche Scheu vor den Menschen, damit er dann auch ungestört in Bayern seine Fährten ziehen kann", betonte Vocke.

Schuss aus 150 Metern Entfernung

Der erste Schuss auf das Tier aus rund 150 Metern Entfernung sei tödlich gewesen, berichtete Umweltstaatssekretär Otmar Bernhard. Zum verwendeten Kaliber und zur Identität des Schützen wurden keine Angaben gemacht.

Bernhard bedauerte den Abschuss, verteidigte ihn jedoch als notwendig. So habe das Tier am Samstag erstmals Drohgebärden gegenüber Wanderern gezeigt.

"Wir haben alles versucht, JJ1 lebend zu fangen", so Berhard. Doch "der Abschuss war unvermeidbar, auch wenn es allen sehr schwer gefallen ist".

Bernhard bat empörte Tierschützer, nicht die besondere Gefahrensituation mit JJ1 zu verkennen. "Wir hätten den ersten Bären seit 170 Jahren gerne in freier Natur behalten, leider hatte er sich zum Risikobären entwickelt. Solche Bären müssen auch in USA, Kanada, Finnland, Russland, Österreich und anderen Bärenländern getötet werden."

Auch WWF-Sprecher Jörn Ehlers bedauerte, dass der Braunbär nach wochenlanger erfolgloser Jagd schließlich getötet wurde: "Leider war das absehbar. Er ist uns ans Herz gewachsen, obwohl man auch die Gefahr sehen musste."

Protest: Bärenfreund Toni Engelhardt stört die Bären-Pressekonferenz des bayerischen Umweltministeriums in Schliersee. (Foto: Foto: dpa)

Der WWF, der viel Erfahrung mit Braunbären in Österreich hat, hatte die Versuche, das Tier zu fangen, unterstützt. Es sei alles getan worden, was möglich gewesen sei. "Wir hätten gerne noch weiter gemacht, aber die Erfolgschancen waren gering." Nun müsse man nach vorne schauen und sehen, wie man Bären künftig schützen könne.

Kritik von Tierschützern

Die Jugendorganisation des Bund Naturschutz in Bayern sprach von einer "Tragödie für den bayerischen Naturschutz".

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, es sei ihm nicht begreiflich, "warum man das Tier erschießen, aber nicht betäuben kann". Er unterstrich aber zugleich, dass er seinen bayerischen Kollegen Werner Schnappauf (CSU) "gut verstehen" könne.

Dieser habe schließlich verhindern müssen, dass jemand zu Schaden komme: "Ich hätte nicht anders entscheiden können in dieser Lage."

Der Deutsche Tierschutzbund kündigte rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen an. "Wochenlang gelingt es angeblich nicht, den Bären einzufangen; kaum wird er zum Abschuss freigegeben, ist er auch schon tot", kritisierte Tierschutzbund-Präsident Wolfgang Apel.

"Wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen, auch wenn das Bruno nicht wieder lebendig macht", betonte Apel. "Ein solcher Vorfall darf sich nie wieder wiederholen."

Der Abschuss des Bären widerspreche einer Vielzahl internationaler Artenschutzvereinbarungen, etwa der Berner und der Bonner Konvention, der FFH-Richtlinie und dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen. Zudem verstoße der Abschuss gegen das Tierschutzgesetz.

Der Umweltpolitiker der bayerischen Grünen Christian Magerl kritisierte: "Das Umweltministerium hat seine erste Bewährungsprobe im Umgang mit einem wilden Bären gründlich vergeigt."

Bernhard erklärte, der Bär habe eine gesellschaftliche Diskussion angestoßen, die Bayern fortsetzen werde. Es sei bereits der Entwurf eines Bärenmanagementkonzepts in Anlehnung an die vorhandenen Konzepte in Österreich und der Schweiz entwickelt worden.

Außerdem werde sich Bayern an den Treffen der Bärenexperten Anfang Juli in Trient und im August in Chur beteiligen. "Wenn ein normaler Bär den Weg nach Bayern findet, ist er herzlich willkommen", so Bernhard.

Zunehmend weniger Scheu vor Menschen

Der Braunbär streunte seit Mitte Mai zwischen Bayern und Österreich, riss dabei zahlreiche Schafe und Hasen. Außerdem verlor er zunehmend die Scheu vor Menschen.

Nach wochenlangen vergeblichen Versuchen, das Tier lebend zu fangen, war JJ1, wie der Bär offiziell heißt, zu Wochenbeginn in Tirol und Bayern wieder zum Abschuss freigegeben worden.

Die Regelung war am Freitag erlassen worden und sollte nach der Veröffentlichung zu Wochenbeginn wirksam werden.

"Ich weiß, dass die Entscheidung unpopulär ist", hatte Tirols Landesrat Anton Steixner mit Blick auf die Abschussgenehmigung eingeräumt. Der Bär sei jedoch zur Gefahr für Menschen geworden.

"Wenn ein normaler Bär sich wieder einmal nach Tirol verirrt, heißen wir ihn herzlich willkommen."

Vergebliche Jagd der finnischen Experten

Zuvor war es auch den vielgerühmten finnischen Bärenjägern mit ihren speziell ausgebildeten Hunden nicht gelungen, den Bären zu stellen. Die finnischen Bärenjäger waren nach zwei Wochen erfolgloser Fangversuche, in der die Abschussgenehmigung ausgesetzt war, wieder abgereist.

Die fünf Finnen hatten "Bruno" mit ihren sechs Hunden zwei Wochen lang verfolgt. Die Bärentruppe war dabei 500 Kilometer zu Fuß in gebirgigem Gelände unterwegs und erklomm mehr als 10.000 Höhenmeter.

Ursprünglich wollte ein Teil des Teams bis Montag bleiben. Jedoch reisten alle Finnen bereits am Freitag ab. Menschen und Hunde seien völlig erschöpft gewesen, sagte Steixner.

"Der Einsatz war nicht nur extrem schwierig und körperlich anstrengend, sondern auch gefährlich", unterstrich Steixner. Die Kosten des Einsatzes von rund 30.000 Euro teilen sich Bayern und Tirol.

Noch am Samstag war das Tier mehreren Mountainbikern begegnet. Sie hatten ihm zugesehen, wie er durch den Soinsee im Landkreis Miesbach schwamm. Nach seinem Bad dort hatten drei Wanderer "Bruno" beobachtet, wie er ins Gebirge aufstieg. Die drei verfolgten ihn, woraufhin sich der Bär zu ihnen umdrehte und sie den Rückzug antraten.

Gegen Abend hatte der Bär in der Gegend ein Schaf gerissen. Bereits am Freitag hatte der Bär bei Thiersee nahe Kufstein ein weiteres Schaf getötet.

Nach einer genetischen Untersuchung soll "Bruno" präpariert und im Münchner Museum "Mensch und Natur" im Schloss Nymphenburg ausgestellt werden. Dort ist auch der letzte vor rund 170 Jahren in Bayern erlegte Braunbär ausgestellt.

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