Private Lindgren-Forschung:Pippis Papa Pettersson

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Pippis Vater Efraim Langstrumpf hieß in Wirklichkeit Carl Pettersson und hat eine Häuptlingstochter in der Südsee geheiratet. Seit Jahren widmet sich Joakim Langer kuriosen Details rund um Astrid Lindgrens Romanfiguren.

Von Gerhard Fischer

Joakim Langer geht schnell. Er macht alles schnell: reden, Tee einschenken, in Unterlagen blättern, gehen.

Pippi Langstrumpf ist eine von Langers Lieblingsfiguren - in den Filmen wird sie gespielt von Inger Nilsson. (Foto: Foto: AP)

Jetzt läuft Langer gerade von seinem Auto in sein Büro, in der rechten Hand trägt er einen Koffer. "Der Koffer gehörte Tarzan", sagt Joakim Langer, "er stand auf dem Speicher im Sommerhaus von Astrid Lindgren".

Den Satz muss man noch einmal langsam vor sich hinsagen: Der Koffer gehörte Tarzan, er stand auf dem Speicher im Sommerhaus von Astrid Lindgren.

Der Wiederentdeckungsreisende

Das Schöne an dem Satz ist: Er stimmt, im weiteren Sinne jedenfalls. Und er bringt auf den Punkt, wofür der 47-jährige Joakim Langer steht: für einen liebenswerten Wahnsinn.

Langer, der sich selbst Wiederentdeckungsreisender nennt, hat in den vergangenen Jahren mit einer rührenden Besessenheit eine kuriose Heldenforschung betrieben.

Er hat etwa entdeckt, dass das Vorbild für Pippi Langstrumpfs Vater Efraim in Wirklichkeit Carl Pettersson heißt und in der Südsee eine Häuptlingstochter geheiratet hat.

Er hat auch herausgefunden, dass ein Schwede Tarzan entdeckt hat. Langer hat Bücher darüber geschrieben, bald soll ein zwölf Millionen Euro teurer Fantasyfilm gedreht werden über die Abenteuer von Pippis Papa.

Der echte Efraim aus der Südsee

Die Geschichte der Entdeckungen beginnt in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember 2000. Langer kann nicht schlafen, wie so oft. Um halb vier Uhr steigt er in den Keller seines Hauses hinunter, um ein ganz besonders langweiliges Buch zu suchen. Er wühlt in den Ordnern und Büchern und stößt auf eine Sammlung mit Zeitungsartikeln unter dem Titel: Neue schwedische Geschichte. Gustav V. und die Zeit von 1928 bis 1938. Langer denkt sich, das ist genau die Schlaftablette, die er braucht, und geht zurück ins Bett.

Minuten später ist er hellwach. In einem Artikel aus dem Jahr 1935 steht geschrieben: König Karl Pettersson I. von Tabar beabsichtigt, sein Reich in der Südsee zu verkaufen und sich in Europa niederzulassen. Er liest den Artikel weiter und ist am Ende sicher: Pettersson war das Vorbild für Pippis Vater Efraim Langstrumpf, den König von Taka-Tuka-Land!

Lebendig wie Michel aus Lönneberga

Langer lässt sich die Entdeckung über eine Freundin von Astrid Lindgren bestätigen, reist in die Südsee und spricht mit Petterssons Enkelkindern. Er hört einige nette Geschichten, unter anderem, dass der frühere deutsche Bundespräsident Theodor Heuss mit Pippi Langstrumpf sozusagen verwandt gewesen ist. Petterssons 1911 geborene Tochter Elsa (also Pippi, wenn man so will) hat nämlich den Deutschen Karl Hörler geheiratet. Und dieser Hörler soll mit Heuss verwandt gewesen sein - sehr entfernt zwar, aber immerhin.

Joakim Langer erzählt das alles mit einer Begeisterung, die man nur von Kindern kennt. Er ist so lebendig wie Michel aus Lönneberga und so manipulativ wie Pippi Langstrumpf; die beiden sind seine Lindgren-Lieblingsfiguren.

Als Kind hat er einmal bei einem Pippi-Film mitgespielt. Der Regisseur Olle Hellbom suchte Kinder für "Pippi in der Schule", und weil die Langers neben Hellbom wohnten, lag es nahe, Joakim dazu einzuladen. Das war ein Abenteuer für den Jungen, eines von vielen. "Meine Eltern haben mir kaum Spielsachen geschenkt, als ich ein Kind war, sondern eher Erlebnisse", erzählt Langer, "wir sind viel auf Reisen gegangen".

Ex-Diskjockey

Das packt ihn heute noch. Er ist nicht nur in der Südsee gewesen, sondern auch auf der Insel Robinson Crusoes. Er hat herausgefunden, dass dort ein Schwede im 19. Jahrhundert ähnlich gelebt hat wie Robinson. Natürlich hat er auch darüber ein Buch geschrieben.

Joakim Langer war früher, vor mehr als 20 Jahren, ein bekannter Diskjockey in Schweden. "Es war eine wilde Zeit", sagt er. Mit Drogen und so. Aber als er 25 war, hat er beschlossen, ein normales Leben zu führen, so weit das geht bei einem wie ihm. Er heiratete und zog mit seiner Frau zwei Kinder groß, die heute 19 und 21 Jahre alt sind.

Beruflich hat er lange mit schwierigen Jugendlichen gearbeitet, mit Rechtsradikalen ist er nach Auschwitz gefahren. Diese Arbeit ist jetzt Vergangenheit. Seit ein paar Monaten ist er nur noch Reisender und Autor.

Ein Schwede hat Tarzan entdeckt

Er schreibt gerade ein Buch über den schwedischen Söldner Ivor Thord-Gray, der zur Zeit des Burenkriegs (1899 bis 1902) in Südafrika einen Jungen gesehen haben soll, der bei Affen aufwuchs. Später erzählte Thord-Gray die Geschichte einem Journalisten in London, und irgendwann landete sie beim Schriftsteller Edgar Rice Burroughs. Der schrieb ein Buch und nannte es "Tarzan bei den Affen".

Rice Burroughs hat den Schweden in seinen Tarzanbüchern verewigt. Denn Tarzan, der aus einer adeligen Familie stammte, hieß ursprünglich Greystoke. Lord Greystoke. Greystoke? Thord-Gray! Das spricht eindeutig dafür, dass Ivor Thord-Gray der Urheber der Tarzan-Geschichte ist, sagt Joakim Langer.

Mit dem Auto um die Welt

Thord-Gray blieb sein Leben lang Söldner, nur die Sommer verbrachte er in seinem Ferienhaus in Furusund bei Stockholm als Nachbar von Astrid Lindgren. 1864 starb er, und 1970 verkaufte seine Familie seinen Koffer auf einem Flohmarkt in Furusund. Astrid Lindgren erwarb ihn. Als Langer Astrid Lindgrens Tochter Karin in Furusund traf, um über Carl Pettersson zu sprechen, bekam er den Koffer des Tarzan-Entdeckers.

Vielleicht geht er mit diesem Koffer bald auf Reisen. Joakim Langer hat nämlich ein Buch der Deutsch-Schwedin Clärenore Stinnes gelesen, die 1927 als erste Frau die Erde umrundet hat; mit dem Auto, in zwei Jahren. Langer will das nun ebenfalls tun. Er will dieselben Strecken fahren wie Clärenore Stinnes, aber er will es in 80 Tagen machen. Das ist natürlich ein ehrgeiziger Plan. Doch die Chancen stehen ganz gut: Er macht ja alles schnell.

© SZ vom 21.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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