Prinz Harry vor Irak-Mission:Kindskopf Königskind

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"Wir werden unser Möglichstes tun, um ihn anzugreifen." Warum Prinz Harry trotz unverhohlener Drohungen gegen ihn ganz wild auf seinen Einsatz im Irak ist.

Wolfgang Koydl, London

Die Aufständischen hatten ihre Hausaufgaben gut gemacht. Als der britische Prinz eingetroffen war, verfolgten ihre Spitzel jede seiner Bewegungen und entdeckten Lücken in seiner Bewachung.

Rasch reifte der Plan, ihn zu entführen und zu Propaganda-Zwecken zur Schau zu stellen. Ausdrücklich spornte ihr Anführer das Vorhaben an: "Euer Unternehmen verdient Beifall; ihr habt meine ausdrückliche Vollmacht, nach eigenem Gutdünken zu handeln."

Bei diesem Prinzen handelte sich indes nicht um Harry, und der Führer der Aufständischen hörte auf keinen arabischen Namen sondern hieß George Washington.

Ziel der Kidnapping-Pläne war William Henry, der Sohn von König Georg III., der 1781 als Seekadett nach New York gesandt worden war, wo Britanniens Rotröcke die aufständischen amerikanischen Kolonien in die Knie zu zwingen suchten. Letztlich wurde dem Royal kein Haar gekrümmt. Später gelangte er als William IV. auf den englischen Thron.

Ob der Fronteinsatz für Prinz Harry ebenso glimpflich ausgehen wird, wenn der Dritte in der britischen Thronfolge irgendwann in den nächsten Wochen mit seinem Regiment in den Irak entsandt wird, kann niemand mit letzter Sicherheit voraussagen: Nicht sein Vater Charles, der die Genehmigung zu dem Unternehmen gegeben hat, und auch nicht Generalstabschef Sir Richard Dannatt, der die quälende Debatte um Harrys Kriegseinsatz soeben mit einem Machtwort beendete: "Er wird eingesetzt werden."

Seit einem Jahr ist bekannt, dass die Blues and Royals eine Tour in Basra absolvieren müssen. Als Unterleutnant mit dem altmodischen Rang Cornet führt Harry Wales einen zwölfköpfigen Aufklärungstrupp an, der mit vier Schützenpanzern des Typs Scimitar unter anderem die gefährliche Grenze zum Iran oder Hochburgen der schiitischen Mahdi-Armee patrouillieren wird.

"Tief enttäuscht"

Er selbst hat nie einen Hehl daraus gemacht, wie "tief enttäuscht" er wäre, wenn man ihn nicht einsetzen würde. Er habe nicht die Absicht, "daheim auf meinem Arsch zu sitzen", derweil seine Jungs im Irak den Kopf hinhielten, sagte der 22-Jährige.

Nur eine einzige Ausnahme soll für ihn gemacht werden: Im Juni erhält er Sonderurlaub, um zusammen mit seinem Bruder William das Gedenkkonzert für seine Mutter Diana vorzubereiten. Von seinen Freunden hat sich Harry schon verabschiedet mit einer kleinen, improvisierten Rede.

Als Ort für das Adieu wählte er den teuren Mahiki-Nachtclub, und nichts könnte weiter entfernt sein von den staubigen Gassen Basras als diese Prominentenkneipe in Londons Nobelviertel Mayfair. Das einzig andeutungsweise militärische Element hier dürfte der hauseigene Rum-Cocktail "Neptune's Bounty" sein, der in einem Taucherhelm aus Messing serviert wird.

Nervös sei er, gestand Harry seinen Begleitern, und wohl auch ein bisschen ängstlich angesichts der kommenden Monate. Auch ihm war nicht verborgen geblieben, dass der April mit zwölf toten Soldaten der blutigste Monat für die britischen Truppen seit Beginn der Besatzung gewesen war. Er wisse zwar noch nicht, welche Aufgaben seine Vorgesetzten für ihn geplant hätten, aber er sei willens und bereit "alles zu machen, was man auf mich schmeißen wird".

Liest man irakische Websites, dann werden es freilich eher Islamisten, Terroristen und Aufständische sein, die das Königskind in Atem halten werden. "Wenn er kommt, werden wir sehr ärgerlich sein", erklärte ein Sprecher des Schiitenführers Moqtada al-Sadr, "wir werden unser Möglichstes tun, um ihn anzugreifen."

In ungewohnter Eintracht mit dem religiösen Feind stimmte ein Abu Ghassan von der sunnitischen Untergrundbewegung Thar-Allah zu: "Ich hoffe, dass er hinausgeht auf die Straße, damit er mit eigenen Augen sieht, was ihm alles zustoßen kann."

Der Albtraum für die Planer im Verteidigungsministerium wäre es, wenn Harry entführt würde. Die Schmach der 15 verschleppten britischen Seesoldaten ist schließlich noch frisch in Erinnerung. Vorsorglich wird daher schon jetzt ein Sündenbock gesucht: die Presse und die zivilen Ministerialbeamten, die allzu sorglos Details über Harrys Einsatzorte preisgegeben hätten. "Warum", so schäumte ein Offizier, "geben wir den Terroristen nicht gleich das Nummernschild seines Panzers."

© SZ vom 02.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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