Preisvergleich:Das abrupte Ende der Gefühlsinflation

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Eine Studie belegt, dass Niederländer zu Recht über den Euro jammern: Seit der Einführung sind die Preise um 49 Prozent gestiegen. Im Durchschnitt!

Von Siggi Weidemann

Amsterdam - Der Euro war gerade einige Stunden jung. Es war am Neujahrstag 2002, als in der Amsterdamer Altstadt ein Kellner die ausgehängte Menükarte des chinesischen "Dim Sum"-Restaurants bearbeitete. Er wischte hinter den Preisen die Guldenzeichen weg und malte die des neuen Euro an die leere Stelle. Im Handstreich war das Essen dort mehr als doppelt so teuer wie am Tag zuvor.

Große Aufgabe: Das Original-Plakat zieht keinen Flunsch, schließlich sollte es den Holländern die Angst vor dem Euro nehmen. (Foto: Foto: AP)

Ganz so frech wurden nicht überall die Preise mit der Einführung der neuen Währung erhöht, aber das Unbehagen blieb. Erst acht Monate später gab Nout Wellink, Präsident der Niederländischen Bank, zu, dass der Euro mit schuld an Inflation und gestiegenen Preisen sei.

Während Haager Politiker trotzdem weiter ständig versicherten, die Preise seien nicht exorbitant gestiegen, startete die Redaktion des Magazins HP/De Tijd eine eigene Studie. Grund war eine Schuhdose, in der man Quittungen aus der Vor-Euro-Epoche gefunden hatte. Die Preise von hundert Artikeln aus den Jahren 1998, 2000 und 2003 wurden miteinander verglichen.

Heraus kam eine durchschnittliche Preissteigerung von 49 Prozent. Die gleiche Flasche Chablis war um 65 Prozent teurer geworden, ein Kasten Heineken um 21 Prozent, ein Liter Milch um 17 Prozent.

Zahlte man für die Garderobe in einem Club im Jahr 2000 einen Gulden, ist es heute ein Euro - eine Steigerung um 120 Prozent. Fahrpreise kletterten um 14, Kosten für Taxis um 26, Parkgebühren um 39 Prozent. Zoos, Freizeitparks oder Museen, wie Madame Tussaud's oder das Anne-Frank-Haus, erhöhten ihre Eintrittspreise zwischen 31 und 106 Prozent.

Bestätigt wurde die Studie des Magazins von der Unternehmensberatung Mercer, die zweimal jährlich die Lebenshaltungskosten ebenso wie Hotel-, Restaurant- oder Nahverkehrspreise in 144 Städten untersuchen lässt. Demnach hat Amsterdam im internationalen Preisvergleich den höchsten Sprung gemacht, Ursache soll der starke Euro sein.

Auf der Rangliste der teuersten Städte kletterte Amsterdam von Rang 102 im Jahr 2002 auf Platz 52. Preiswerter sind Berlin (58.) oder Brüssel (62.). Mailand (17.) ist die teuerste Stadt in der Euro-Zone.

Um 18 Prozent, so Mercer, kletterten innerhalb eines Jahres die Preise in der Amsterdamer Gastronomie und Hotellerie. Im Verhältnis zum Dollar eine Steigerung von 38 Prozent - schädlich für den Tourismus und ausländische Investoren.

Das statistische Landesamt CBS, das Inflation und Preissteigerung überwacht, wiegelt ab und spricht bei den Zahlen von "Gefühlsinflation". CBS stellte einerseits fest, dass die Preise bei Kartoffeln oder Eiern bis zu 79 Prozent, Eintrittspreise in Freizeitparks um 40 Prozent gestiegen seien, andererseits aber seien die Preise für Computer um 62 Prozent gefallen. "Die Niederlande fühlen sich teurer an, als sie in Wirklichkeit sind", so CBS-Mitarbeiter Gert Buiter.

In einem Punkt allerdings sind sich alle Studien einig: Preisstabilität gibt es nur bei Drogen. Ein Päckchen mit einem Gramm reinem Kokain kostet im Nachtleben 50 Euro, umgerechnet so viel wie vor der Euro-Einführung.

© SZ vom 17.08.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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