Präsidentenkinder:Der Sohn der Nation

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Zusammen mit Donald Trump wird der zehnjährige Barron ins Weiße Haus einziehen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Dort aufzuwachsen, vor den Augen der Weltöffentlichkeit, ist kein Kinderspiel.

Von Michael Neudecker

Am Schluss war es wie bei einer Oscar-Verleihung, Donald Trump dankte in seiner Rede nach dem Wahlsieg seinen Mitarbeitern und seinen Eltern und seinen Schwestern und seinem Bruder und seiner Frau und seinen Kindern und überhaupt und sowieso, und neben ihm stand Barron. Anzug, weiße Krawatte, bedauernswerte Gesichtsblässe, minimale Mimik. Es war schon fast drei Uhr morgens in New York: keine christliche Zeit für einen Zehnjährigen.

Barron Trump ist das jüngste von Donald Trumps fünf Kindern, aber im Grunde ist er das First Kid: Er ist das einzige Kind, das Trump und die neue First Lady Melania Trump gemeinsam haben. Bislang hätten die Trumps versucht, ihn aus dem Rampenlicht herauszuhalten, schrieben die US-Medien, aber das kann man so nicht sagen; das Rampenlicht ist, wo Donald Trump ist, und es ist so grell, dass es alle erfasst, die in seiner Nähe sind. Immerhin ist Barron im Gegensatz zu seinen vier deutlich älteren Halbgeschwistern nie selbst aufgetreten, bis jetzt. Am Mittwochmorgen stand er - zufällig? - während der Rede seines Vaters so dicht neben ihm, dass die Kameras kaum anders konnten, als ihn ins Bild zu nehmen, 15 Minuten, 14 Sekunden im Zentrum der größten Bühne der Welt. Einmal unterdrückte er unter Aufwendung größter Mühen ein Gähnen. Das letzte Mal, dass er so lange von Kameras beobachtet wurde, war beim Parteitag der Republikaner, da saß er im Publikum neben seiner Mutter. Melania Trump ist ein Ex-Model, das sein Vogue- Glamour- InStyle-Lächeln in vermutlich jeder Lebenslage beherrscht, aber Barron Trump ist ein Zehnjähriger, den Parteitage langweilen. An jenem Abend entstanden viele Fotos und Videos von Barron Trump, wie er ausufernd gähnt, sich die Augen reibt oder beides, es folgten: Amüsement, Witze allenthalben, schaut euch Trump an, er ist so langweilig, dass sogar sein Sohn fast einschläft. Irgendjemand wird dem Jungen schon gesagt haben, dass er seine kindliche Schläfrigkeit nicht mehr ganz so ungeniert zum Ausdruck bringen darf, wenn Daddy Präsident ist.

Barron Trump ist jetzt, ob er will oder nicht, eine Person der Zeitgeschichte. Es gibt viele Abhandlungen und Bücher über die Kinder von US-Präsidenten, denn sie sind wichtig. Sie sind die greifbare Verbindung des mächtigsten Mannes der Welt da oben zur normalen Welt da unten. Sie leben zwischen größtmöglicher Privilegiertheit und kleinstmöglicher Privatsphäre, und weil schon viele von ihnen tragisch endeten, glauben manche Amerikaner gar, auf den First Kids laste ein Fluch. Um Barron Trump aber muss man sich wohl keine Sorgen machen: Seine Mutter nennt ihn "Little Donald", den kleinen Donald, weil er seinem Vater so ähnlich ist. Wenn einer bewiesen hat, dass ihm Flüche und Verfluchungen nichts anhaben können, dann der große Donald.

John F. Kennedy Jr.

Wer im Weißen Haus aufwächst, der muss später nicht automatisch ein glückliches Leben haben: Geboren am 25. November 1960, nur zwei Wochen nachdem sein - im Gegensatz zu Donald Trump - weltweit geschätzter Vater zum Präsidenten gewählt worden war, lernte John F. Kennedy Jr. bald auf der Terrasse des Anwesens gehen. Doch schon an seinem dritten Geburtstag wurde sein Vater zu Grabe getragen. "John John", wie ihn die Reporter nannten, stand vor dem Sarg und salutierte. Da war die Welt plötzlich eine andere. Mit dem Jura-Examen tat er sich Jahre später schwer. Mit Frauen nicht: John John pflegte Affären mit Schauspielerinnen und heiratete die PR-Agentin eines Modedesigners. Das Magazin, das er herausgab, floppte - und als er 38 war und das Kleinflugzeug steuerte, in dem er mit seiner Frau auf dem Weg zu einer Hochzeit war, stürzte er ab.

George W. Bush

Es ist nicht einfach, als ältester Sohn einem Vater zu folgen, der so viel vornehmer, fleißiger, erfolgreicher ist. Genau dies war lange das Problem von George W. Bush. Sein Vater war immer schon da, wo später auch der Sohn landete: an der elitären Phillips Academy, an der Yale University, in der Studentenverbindung Skull & Bones. Die Bushs zählen zu den großen politischen Dynastien des Landes, und der junge George Walker war so etwas wie das schwarze Schaf. In seinem 40. Lebensjahr schwor Bush dem Alkohol ab und startete eine Karriere, die ihn bis ins Weiße Haus trug. Das Verhältnis zwischen Bush junior und Bush senior gilt seit Langem als eng und herzlich - vor zwei Jahren hat der Sohn sogar eine Hommage über ihn verfasst ("A Portrait of my Father"). Auch eine Art, seinen Frieden zu finden.

Sasha & Malia Obama

Wenn es darum geht, wie schnell doch die Tage und Jahre und Dekaden vergehen, werden gerne Barack Obamas ergraute Haare als Exempel herangezogen. Sieh an, was haben acht Jahre Macht versus Ohnmacht aus dem Mann gemacht! Wie schnell die Zeit aber wirklich vergeht, lässt sich am besten an Obamas Töchtern Malia, 18, und Sasha, 15, beobachten. Beide sind vor den Augen der Weltöffentlichkeit von Kindern über Teenies zu jungen Frauen geworden. Ach, war das nicht erst gestern? Nein, war es nicht. Ging es 2014 noch darum, dass die ach so pubertierenden Töchter bei der traditionellen Truthahn-Begnadigung nicht ihr Presse-Gesicht aufgesetzt hatten, sondern gelangweilt in die Ferne blickten, wurden sie während eines Kuba-Besuchs im März als Mode-Ikönchen gefeiert. Was soll man auch tun, als Kind von politisches Entertainern?

Chelsea Clinton

Der pubertierende Mensch ist ein verletzliches Wesen. Wie schlimm muss es sich anfühlen, wenn ein Teenager sich auf der Liste der "Promis, die wie Pferde aussehen" wiederfindet? Chelsea Clinton war knapp 13, als ihr Vater Bill 1993 ins Weiße Haus einzog. Was wurde über ihr Spott ausgeschüttet. Die Zahnspange! Die Pudelfrisur! Ein TV-Moderator witzelte: "Wir wissen, dass die Clintons eine Katze namens Socks haben. Aber sie haben auch ein Hündchen" - und zog ein Bild von Chelsea hervor. Die schlimmste Demütigung brachte ihr aber ihr Vater bei, als er 1998 Sex mit seiner Praktikantin einräumen musste. Doch die First Daughter bewahrte Haltung, stellte sich für das erste Foto nach der öffentlichen Beichte zwischen ihre Eltern. Heute hat sie selbst zwei Kinder und in der Wirtschaft Karriere gemacht. Eine öffentliche Pubertät kann auch ein gutes Ende nehmen.

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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