Porträt:Frère Roger

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Gründer und Prior der Gemeinschaft von Taizé.

Volker Wörl

Im August 1940 läßt sich der 25jährige reformierte schweizerische Theologe Roger Schutz in dem fast ausgestorbenen burgundischen Dorf Taizé, nahe bei Cluny nieder.

Frère Roger (Foto: Foto: dpa)

Der kluniazensisch-benediktinische Geist mag ihn mit zu dieser Ortswahl bewogen haben. Er will eine Gemeinschaft von Männern gründen und, inmitten der Kriegsnot, Versöhnung verwirklichen.

In seinem Haus versteckt er Flüchtlinge, insbesondere Juden, die aus dem von der Deutschen Wehrmacht besetzten Teil Frankreichs geflohen sind. Die Demarkationslinie verläuft nur zwei Kilometer von Taizé entfernt.

Zwei Jahre später entdeckt die Gestapo das Asyl, die Insassen werden verhaftet. Roger Schutz entgeht diesem Schicksal, da er gerade einem Juden zur Flucht in die Schweiz verhilft. Ende 1944 kehrt er nach Taizé zurück.

Nach Kriegsende kümmert er sich auch um deutsche Kriegsgefangene.

Die Idee, eine mönchische Gemeinschaft zu gründen, hat den Theologen Schutz nicht losgelassen. Gebet und praktische Solidarität sind für ihn zwei Seiten derselben Medaille.

So kommt es 1949 zur Gründung eines evangelischen Ordens, dessen zunächst sieben Mitglieder sich zu Ehelosigkeit, Gütergemeinschaft und zur Anerkennung eines Priors bekennen.

Brüderlichkeit und Versöhnung zwischen Nationen, Konfessionen und Klassen sind bis heute Kern der Berufung, die sich die ökumenische Gemeinschaft, die Communauté, gestellt hat.

Diese Idee läßt inzwischen das ganze Jahr über, Woche für Woche, Tausende von Jugendlichen und zunehmend auch Erwachsene auf den Hügel von Taizé pilgern. Zelte und Baracken bieten Obdach.

Dreimal täglich treffen sie sich mit den mittlerweile etwa 90 Mitgliedern der Gemeinschaft zu Gebet und Meditation in der Erlöserkirche - es sind Gottesdienste mit einer unvergleichbar dichten Atmosphäre.

Roger Schutz nimmt auf Einladung von Papst Johannes XXIII. als 'offizieller Beobachter' am 2. Vatikanischen Konzil teil. Seit 1969 hat die Communauté auch katholische Mitglieder. Johannes Paul II. besucht Taizé zweimal als Krakauer Erzbischof und Kardinal und abermals 1986 als Papst. Mit ihm teilt Schutz die Verehrung für Maria.

Auch im Eucharistieverständnis ist eine Annäherung an die römisch-katholische Kirche erkennbar. Diese Nähe wurde von der protestantischen Minderheit in Frankreich zuweilen schon kritisch kommentiert. Im Sinne des Priors ist wohl das Zurückstellen, nicht das Ignorieren konfessioneller Unterschiede.

Seit den fünfziger Jahren leben Brüder aus Taizé an Brennpunkten des Weltgeschehens in 'Fraternitäten', möglichst dicht an der Seite der Armen. Überall dort versuchen sie, die Lebensbedingungen der Menschen ihrer Umgebung zu teilen.

© SZ vom 30.12.1993 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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