Plagiarius 2005:Alles nur geklaut

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Einige Firmen sparen sich den Designer und kupfern stattdessen schöne Dinge ab. Die dreistesten Plagiatoren wurden nun wieder einmal gekürt.

Von Eike Schrimm

Heute geht die Post ab: Zehn Hersteller werden per Brief informiert, dass sie den "Plagiarius 2005" gewonnen haben. Das ist kein Preis, auf den man stolz sein kann, denn er brandmarkt den "Gewinner" als Plagiator und Fälscher.

Die EU-Kommission liefert die Fakten: 2003 haben EU-Zöllner 100 Millionen gefälschte Produkte beschlagnahmt mit einem geschätzten Gesamtwert von einer Milliarde Euro. Das Weltwirtschaftsforum geht von einem Schaden über 450 Milliarden Euro aus, der durch Produktpiraterie verursacht wurde. "Produktpiraterie war noch nie ein Kavaliersdelikt" erklärt Horst Prießnitz, Hauptgeschäftsführer des Markenverband in Deutschland.

Rido Busse hat deshalb den "Plagiarius" erfunden, "um die Unverfrorenheit und Skrupellosigkeit von Nachahmern" öffentlich vorzuführen. Er selbst entdeckte 1977 sein eigenes Produkt auf der Frankfurter Konsumgütermesse "Ambiente". Es war aber nicht seine Brief- und Diätwaage Nr. 8600, die er für die Firma Soehnle-Waagen 1965 entworfen hatte und die für 26 DM verkauft wurde. Es war ein perfektes Ebenbild, nachgebaut von einem chinesischen Hersteller und verramscht für nur 10 DM.

Seit 1977 durchforstet nun Busse die Warenwelt nach billigen Nachahmungen und zeichnet jährlich auf der "Ambiente" die dreistesten Einfallspinsel mit dem Gartenzwerg Nr. 917 der Firma Heissinger aus - schwarz lackiert, mit goldener, langer Nase. Aber die ertappten Kopierer bekommen den Zwerg nicht ausgehändigt. "Dafür ist uns die Trophäe viel zu schade", sagt Christine Lacroix von "Aktion Plagiarius". Lediglich eine Kopie der Urkunde wird den Plagiarius-Gewinnern zugestanden.

Einige ertappte Kopierer reagieren verständig, zahlen eine Lizenzgebühr oder nehmen die Duplikate vom Markt. Andere bringen ihre Anwälte in Stellung und wehren sich gegen die Auszeichnung.

In diesem Jahr wurde erneut die Armatur "Tara" der Firma Dornbracht 1:1 abgekupfert. Auch die Produkte der Firma Koziol - dieses Mal eine Etagère - werden immer und immer wieder von anderen billiger verdoppelt. "Hinter Design steckt ein riesiges Wirtschaftspotential", sagt Stephan Koziol. Stimmt genau. Während aber die einen investieren und so den Trend entwickeln, warten die anderen gelassen ab, und bauen die schönsten Verkaufsschlager einfach nach.

Auf der Konsumgüter-Messe "Ambiente" ist deshalb fotografieren strengstens verboten. Auch die Internationale Möbelmesse "imm" in Köln hat in diesem Jahr erstmals Fotoapparate in Verbotsschilder gebannt und hundertfach auf den Messeständen ausgehängt.

Links das "Ei" von Arne Jacobsen, rechts einer der unzähligen Kopien: Das Original wird aus einem Stück Leder gefertigt und kostet 7228 Euro, bei der Kopie werden viele Stücke aneinander genäht und ist für 1279 Euro zu haben. (Foto: Montage: sueddeutsche.de)

Kein Wunder. Denn wer durch die Hallen spaziert, meint manches Mal doppelt zu sehen: Komisch, den Sessel "Ei" von Arne Jacobsen habe ich doch eben schon mal gesehen. Stimmt, hier steht nur sein perfektes Abbild.

Wie geht man in Deutschland mit den kopierten Stücken um? "Es adelt uns, wenn wir nachgemacht werden" heißt es bei den Möbelherstellern Interlübke und Walter Knoll. Ist es aber nicht geschäftsschädigend, wenn man viel Geld und Zeit investiert hat, um mit Designern, Architekten und der eigenen Entwicklungsabteilung die Möbelgeschichte fortzuschreiben? "Das Jahr 2004 war das beste in der Firmengeschichte", bilanziert Markus Benz, Vorstand von Walter Knoll. "Unsere Zielgruppe gibt sich zum Glück nur mit Walter Knoll zufrieden und nicht mit dem billigeren Verschnitt. In einem schweren Fall wird auch schon mal unser Rechtsberater aktiv."

Auch bei Interlübke bleibt man gelassen: Klar, die leuchtende Kommode "eo" habe einen neuen Trend ausgelöst, aber dessen Technik, Funktionalität und Design mache den Nachmachern das Leben zu schwer. Die kleinen Dinge des Alltags gehen den Kopieren dagegen viel einfacher von der Hand.

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