Ping-Anrufe:Wenn das Handy einmal klingelt ...

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... sollte man nicht zurückrufen. Es könnte sich um Abzocke handeln, warnt die Bundesnetz­argentur. Bislang ist völlig unklar, wer dahintersteckt.

Von Marvin Strathmann, München

Das Handy klingelt nur Bruchteile von Sekunden. Nach dem ersten Signalton legt der Anrufer auf. Man müsste das Smartphone schon zufällig genau in diesem Moment in der Hand halten, um abheben zu können. Hinter dem verpassten Anruf steckt eine seltsame Nummer. Auf den ersten Blick könnte man sie in Nordrhein-Westfalen verorten, doch die Vorwahl lautet nicht 0224, sondern +224. Der Anruf kam aus dem westafrikanischen Land Guinea. Solche seltsamen Anrufe erreichen momentan Zehntausende Deutsche. Ihre Smartphones klingeln und vibrieren kurz, die Nummer auf dem Display weist nach Afrika, in Länder wie Guinea, Burundi und Marokko. Selbst die Polizei ist vor den Kontaktversuchen nicht sicher: Bei sächsischen Beamten ging ein Anruf aus Tunesien auf dem Diensttelefon ein.

Wer keinen Freund hat, der gerade durch Afrika reist, sollte auf keinen Fall zurückrufen. Die Anrufer sind ähnlich seriös wie vermeintliche nigerianische Prinzen, die massenweise Spammails verschicken. Wenn man die rätselhaften Nummern zurückruft, landet man meist bei teuren Service-Hotlines, die mehrere Euro pro Minuten kosten. Die Betrüger wollen erreichen, dass ihre Opfer möglichst lange in der Leitung bleiben. Sie spielen unverständliche Bandansagen auf Arabisch oder Französisch ab, locken mit vermeintlichen Gewinnspielen oder halten die Rückrufer mit Informationen zu Paketzustellungen hin.

Allein im Oktober meldeten sich 30 000 Betroffene

Die Bundesnetzagentur warnt vor solchen Ping-Anrufen. Allein im Oktober gingen etwa 30 000 Beschwerden bei der Behörde ein. Seit Beginn des Jahres waren es insgesamt knapp 45 000. Selbst wenn nur einige wenige Handynutzer auf die Masche hereinfallen und zurückrufen, erbeuten die Betrüger mehrere Hundert Euro. "Wir arbeiten eng mit ausländischen Regulierungsbehörden zusammen, um das Problem zu lösen", sagt Pressesprecherin Carolin Bongartz. "Zudem erteilen wir Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbote. Das bedeutet, dass Netzbetreiber wie die Telekom, O2 oder Vodafone Anrufe zu bestimmten Nummern nicht in Rechnung stellen dürfen." Opfer können betrügerische Rufnummern melden. Die Bundesnetzagentur stellt dafür auf ihrer Webseite ein Beschwerdeformular bereit. Bislang ist völlig unklar, wer dahintersteckt. Die Handynummern werden wohl von Adresshändlern gekauft oder zufällig generiert.

Nicht nur in Deutschland klingeln wahllos Telefone. Auch in anderen Ländern häufen sich in diesem Jahr die Vorfälle, etwa in Irland, Südafrika oder Neuseeland. Die Abzockmasche hat sogar einen eigenen Namen: Der japanische Ausdruck Wangiri beschreibt die Methode, einmal anzurufen und dann aufzulegen. Er stammt aus dem Jahre 2002, als eine regelrechte Wangiri-Welle das Land mit Millionen Anrufen überflutete. Wer aus Neugier zurückrief, hörte Werbung und sollte teure Abos abschließen.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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